Viele Tiere fanden Wege, sich ohne Partner zu reproduzieren und Nachwuchs zu zeugen. Alles über die Jungfernzeugung
Jeder Wurf oder jede Eiablage von Tieren im Zoo ist ein freudiges Ereignis. Aber die Schwangerschaft der Königspython (Python regius) aus dem Zoo in Saint Louis in den USA war eine große Überraschung für ihre Pfleger, denn ihre letzte Begegnung mit einem Männchen war 15 Jahren davor. Die 62-jährige Schlange, die auch wegen ihres Alters Rekorde bricht, wurde im September vorgefunden, wie sie mit ihrem Körper sieben Eier umschlang, die sie gelegt hatte.
Zwei der Eier, die die Schlange gelegt hatte, wurden zur genetischen Untersuchung gebracht, um festzustellen, ob sich die Schlange sexuell reproduziert hatte, das heißt, ob sie durch eine Samenzelle oder auf eine nicht-sexuelle Art befruchtet wurde. Es ist bekannt, dass Schlangen Samenzellen von einer früheren Begegnung mit einem Männchen im Körper aufbewahren können. Trotzdem war es schwer anzunehmen, dass das im vorliegenden Fall passiert war, denn der längste bekannte Zeitraum, den eine Schlange Samen im Körper aufbewahren konnte, waren sieben Jahre und hier lag eine doppelt so lange Zeit vor. Aus drei der Eier schlüpften Schlangen in der Brüterei und zwei Eier überlebten nicht.
Wenn sich bei den Tests herausstellen würde, dass keine Samenzelle an der Befruchtung beteiligt war, dann würde dieses Ereignis als Jungferngeburt oder Parthenogenese betrachtet: ein Ereignis, bei dem ein Weibchen einen Fötus erzeugt ohne dass ein Männchen an der Befruchtung beteiligt gewesen war und somit kein genetisches Material von einem Männchen erhalten hat.
Es ist selten, dass sich Pythons ungeschlechtlich vermehren, aber es ist nicht unmöglich, und bei anderen Reptilienarten kommt es sogar ziemlich häufig vor. Es gibt Schlangen- und einige Eidechsenarten, bei denen keine Männchen vorkommen und sich alle Weibchen durch Parthenogenese fortpflanzen. In anderen Fällen, in denen sich die Weibchen normalerweise sexuell fortpflanzen, das heißt, die Paarung von einem Weibchen mit einem Männchen, können in einem als fakultative Parthenogenese bekannten Prozess, Nachkommen ohne Samenzelle hervorbringen.
Jungferngeburten kommen bei vielen Tierarten vor: Amphibien, Reptilien, Insekten, Fischen und Vögeln. So geschehen zum Beispiel bei dem Zebrahai (Stegostoma fasciatum) mit dem Namen Leonie, die sich mit anderen Weibchen in Australien ein Aquarium teilte, und im Jahr 2016 drei Eier legte, aus denen lebenden Haie schlüpften. Zwei Jahre zuvor im Zoo Louisville in den USA legte ein Pythonweibchen mit dem Namen Thelma, die niemals einem Männchen begegnet ist, sechs Eier, aus denen sich gesunde junge Schlangen entwickelten. Im Jahr 2006 erreichte ein Komodowaran namens Flora im Zoo in Chester in England. Im Jahr 2006 erreichte ein Komodo-Drache namens Flora im Chester Zoo in England eine ähnliche Leistung.
Ein Zebrahai in Australien legte drei Eier, aus denen lebende Haie schlüpften, obwohl sie sich das Aquarium nur mit anderen Weibchen teilte. Zebrahai (Stegostoma fasciatum) Bild: Andrea Izzotti, Shutterstock
Wie funktioniert das?
Sexuelle Befruchtung benötigt die Vereinigung von zwei Zellen, die Eizelle des Weibchens und eine Samenzelle des Männchens. Jede Zelle liefert die Hälfte des genetischen Materials, das benötigt wird, um ein Lebewesen zu erzeugen. Bei der Parthenogenese gelingt es dem Körper des Weibchens das gesamte genetische Material, das für die Erzeugung eines Lebewesens ohne eine Samenzelle notwendig ist, bereitzustellen.
Normalerweise werden im Körper des Weibchens in den Eierstöcken Eier gebildet. Das passiert in einem komplexen Prozess, der als Reduktionsteilung (Meiose) bezeichnet wird, in dem sich die Zellen replizieren, reorganisieren und teilen. Am Ende dieses Prozesses befindet sich in jeder Eizelle nur der halbe Chromosomensatz der Mutter befindet, das bedeutet es ist nur eine Kopie des jeweiligen Chromosoms anstatt von zwei vorhanden.
Der Prozess der Meiose beim Weibchen erzeugt noch ein Nebenprodukt: Zellen, die kleiner sind als die Eizelle, die sogenannten Polkörper, die in den meisten Fällen nicht an der Befruchtung beteiligt sind. Unter bestimmten Umständen kann sich ein Polkörper mit einem Ei verbinden und einen Fötus bilden. Dieser Prozess wird als Automixis bezeichnet und führt zu einer gewissen Vermischung der Gene der Mutter, da während der meiotischen Teilung die Chromosomen zwischen den Zellen aufgeteilt werden und die Gene im Ei nicht unbedingt die gleichen Gene sind, die sich im Polkörperchen befinden. Die Nachkommen, die so erzeugt wurden, sind der Mutter sehr ähnlich, sind aber keine perfekten Nachbildungen von ihr.
Bei einer anderen Art der Parthenogenese, der sogenannten Apomixis, wird die Zelle, aus der sich die Eizelle bildet, in einem Teilungsprozess, der Mitose genannt wird, repliziert. Dadurch bleibt das gesamte genetische Material der Mutter erhalten und liegt als doppelter und nicht einfacher Chromosomensatz wie bei der Reduktionsteilung vor. Die Zelle, die sich repliziert und teilt, wird schließlich zum Fötus. Die aus ihrer Replikation gebildeten Zellen durchlaufen keinen Prozess der Genmischung wie bei der Reduktionsteilung. Von daher sind die daraus entstandenen Nachkommen Klone der Mutter, d. h. sie sind genetisch völlig identisch mit ihr. Dieser Prozess kommt in der Tierwelt ziemlich selten, in der Pflanzenwelt jedoch häufig vor.
Bei den Arten, bei denen das Geschlecht der Nachkommen durch den Vater bestimmt wird, werden von den Weibchen, die sich durch Automixis fortpflanzen, nur Weibchen erzeugt, denn die Nachkommen erhalten zwei X Chromosomen von der Mutter. Bei den Arten, bei denen die Mutter das Geschlecht der Nachkommen bestimmt, wie bei bestimmten Vögeln oder Reptilien, können Weibchen oder Männchen geboren werden. In ganz seltenen Fällen können Tiere wie Blattläuse zum Beispiel männliche Nachkommen erzeugen, die genetisch mit der Mutter identisch sind, allerdings haben sie dann nur ein X-Chromosom. Normalerweise sind diese Männchen fruchtbar, aber da sie nur ein X-Chromosom weitergeben können, sind alle ihre Nachkommen weiblich.
Die Sechsstreifen-Rennechsee (Aspidoscelis uniparens), ein Tier aus den Wüsten Nordamerikas, sind nur Weibchen. Sie pflanzen sich durch Jungfernzeugung, ohne Paarung fort. Alle Nachkommen sind ebenfalls weiblich. Eidechse dieser Art in Arizona. Quelle: Suzanne L. Collins, Science Photo Library
Nicht nur in Gefangenschaft
Viele Jahre lang glaubten Wissenschaftler, dass Jungfernzeugung nur in Gefangenschaft auftreten würde, in extremen Situationen verbunden mit Stress oder Isolierung. Sie sahen darin einen Weg für die Tiere, der es ihnen erlaubt, ihre Dynastie fortzuführen, wenn keine anderen Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Diese These wurde im Jahr 2012 widerlegt als Wissenschaftler der Universität Tulsa in den USA Jungfernzeugung bei den Grubenottern (Crotalinae) in freier Wildbahn entdeckten.
Die Wissenschaftler sammelten Eier von 59 Schlangen zweier Grubenotterarten und analysierten in einer Art Vaterschaftstest ihre DNA. Sie fanden heraus, dass zwei der Würfe durch Jungfernzeugung, um genau zu sein durch fakultative Parthenogenese, entstanden waren. Diese Entdeckung widerlegte die These, dass der durch die Gefangenschaft ausgelöste Stress die einzige Ursache für diese extreme Art der Fortpflanzung sei, denn in der Natur gibt es eine Fülle männlicher Grubenottern und die Weibchen müssen nicht „alleine zurechtkommen“.
Obwohl die Jungfernzeugung bei 80 Arten von Wirbeltieren und vielen anderen Arten von Wirbellosen nachgewiesen wurde, wird bis heute nicht vollständig verstanden, warum sie sich ereignet und was sie auslöst. Einige glauben, dass Jungfernzeugung ein Überbleibsel einer alten Fortpflanzungsform ist, die von bestimmten Wirbeltieren angewendet wurde. Es ist bekannt, dass Boas und Pythons zu einem relativ frühen Zeitpunkt in der Evolution auftraten und deshalb kommt Jungfernzeugung bei ihnen häufiger als bei anderen Schlangen vor. Als sich diese Schlangen vor Millionen von Jahren entwickelten, gab es nur sehr wenige von ihnen und von daher war es schwer einen Partner zu finden, mit dem sie sich hätten paaren können. Daher wurde die Fähigkeit sich selbst zu replizieren entwickelt.
Andere Wissenschaftler glauben, dass Weibchen sich über Jungfernzeugung vermehren, weil die sexuelle Fortpflanzung viel Energie benötigt: Sie müssen mit Männchen klarkommen, die untereinander kämpfen und das Männchen finden, das am besten für die Paarung geeignet ist. Noch eine andere Hypothese besagt, dass ein hormonelles Ungleichgewicht, das durch einen externen Stimulus verursacht wird, die Jungfernzeugung auslöst. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass sich Wespen ungeschlechtlich vermehrten, nachdem sie einem bestimmten Bakterium ausgesetzt worden waren.
Jungfernzeugung kommt auch in der freien Wildbahn vor, z. B. bei verschiedenen Grubenotterarten. Auch bei der Schlange mit dem Namen Nordamerikanischer Kupferkopf (Agkistrodon contortrix) tritt Jungfernzeugung auf. Quelle: Jim Merli, Science Photo Library
Zuckerbrot und Peitsche
Die Jungfernzeugung hat zu Entwicklung vieler Arten während der Evolution geführt, aber sie hatte auch ihren Preis. Auf der positiven Seite, die Fähigkeit zur Jungfernzeugung erlaubte es den Tieren ihre Gene weiterzugeben ohne Energie für die Partnersuche aufbringen zu müssen. Auf diese Art und Weise kann auch die Art unter widrigen Lebensumständen erhalten werden, wie z. B. ein Komodowaran-Weibchen, das auf eine einsame Insel gelangt, könnte eine Population von Komodowaranen aufbauen ohne die Hilfe eines Männchens.
Da jedoch alle ihre Nachkommen genetisch identisch oder zumindest sehr ähnlich wären, wäre die Population sehr anfällig gegenüber Krankheiten und Umwelteinflüssen, denen sie auf der Insel begegnen würden. Eine Population, die sich sexuell fortpflanzt, weist eine größere genetische Vielfalt auf, das zu einer größeren Überlebenschance führt – dank der größeren genetischen Vielfalt innerhalb der Population wird es einige Individuen geben, die Merkmale ausgebildet haben, die es ihnen ermöglicht, die veränderten Umweltbedingungen zu überleben.
Aber auch die sexuelle Fortpflanzung hat Nachteile. In erster Linie werden zwei Partner benötigt, Männchen und Weibchen, die zur selben Zeit am selben Ort sein müssen und sich paaren wollen. Diese Anforderung kann bei einer kleinen Population herausfordernd sein. Vom evolutionären Gesichtspunkt aus blieb die sexuelle Fortpflanzung bis heute die vorherrschende und erfolgreichere Methode, aber zweifellos gibt es Vorteile bei der Jungfernzeugung.
Der Komodowaran (Varanus komodoensis), der auf eine einsame Insel gelangt, könnte eine Population von Komodowaranen aufbauen ohne die Hilfe eines Männchens. Komodowaran auf einer indonesischen Insel. Cyril Ruoso, Nature Picture Library, Science Photo Library
Und wie sieht es bei Säugetieren aus?
Bis heute ist kein Säugetier bekannt, das sich über Jungfernzeugung vermehren kann, weder in Gefangenschaft noch in der Natur – es sei denn, es werden wissenschaftliche Beweise über die Geburt Jesu von seiner Mutter, der Jungfrau Maria, gefunden. Allerdings gelang es Wissenschaftlern, diese Art der Reproduktion künstlich zu erzeugen.
In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts Gregory Pincus, ein Physiologe der Universität Harvard forschte an der Fortpflanzung von Säugetieren. Seine Arbeit führte später zur Erfindung der Antibabypille. Pincas behauptete, dass er bei Hasen eine Jungfernzeugung durchführen konnte, andere Wissenschaftler waren allerdings nicht erfolgreich, dieses Experiment zu wiederholen.
Nur Jahrzehnte später, im Jahr 2004, gelang es Wissenschaftlern der Universität Tokio mit Hilfe der Gentechnik Jungfernzeugung, ohne Samenzelle, bei Mäusen zu veranlassen. Den Forschern gelang es, zwei Eizellen, die jeweils einen Chromosomensatz enthielten, zu vereinigen und sie dazu zu bringen, sich zu teilen und zu einem Fötus zu entwickeln. Anschließend wurden 371 solcher Embryonen in 26 Mäuse implantiert, von denen sich anfangs 24 im Uterus einpflanzen konnten. Am Ende überlebten nur zwei Fötusse die Schwangerschaft und wurden geboren. Eines der Mäusekinder, das den Namen Kaguya erhielt, wuchs heran und konnte sich mit anderen Männchen paaren und Nachwuchs zur Welt bringen. Dieser Prozess ist dem Klonen sehr ähnlich und könnte als künstliche Form der Apomixis angesehen werden – wie bei der Jungfernzeugung durch Apomixis, wo das genetische Material der Nachkommen das gleiche wie das der Mutter ist.
Damit der Befruchtungsprozess mit zwei Eizellen möglich wurde, mussten die Forscher die Gene zur genomischen Prägung ausschalten – ein Prozess, bei dem ein Teil der Gene von einem Elternteil, die an die Nachkommen weitergegeben werden, inaktiviert werden und nicht zur Expression gelangen, so dass nur die Gene von dem anderen Elternteil am Ende exprimiert werden. Die Forscher konnten zeigen, dass die genomischen Prägeprozesse dazu führen, dass Jungfernzeugung bei Säugetieren nicht möglich ist. Sie argumentieren, dass es aus diesem Grund sehr unwahrscheinlich und wahrscheinlich unmöglich ist, dass Säugetiere natürlicherweise Nachkommen durch Jungfernzeugung hervorbringen könnten.
Trotz alledem, ist es offensichtlich, dass die Natur bei anderen Tieren diese Art der Fortpflanzung hervorgebracht hat. Es gibt keinen Zweifel darüber, dass diese Art der Fortpflanzung neben der sexuellen Fortpflanzung einen sicheren Weg zum langfristigen Überleben bietet.