Trotz der scheinbar glaubwürdigen Quellen gibt es tatsächlich keine Hinweise darauf, dass Corona-Impfstoffe oder das Coronavirus selbst Unfruchtbarkeit verursachen.
Anfang Februar 2021 behaupteten ein ehemaliger ranghoher Pfizer-Mitarbeiter und ein deutscher Arzt, dass der Impfstoff des Unternehmens gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 zu Unfruchtbarkeit führen könne. Auf den ersten Blick mag diese Behauptung überzeugend erscheinen, da sie mit der Proteinstruktur des Virus zusammenhängt, aber in der Praxis fehlt ihr jede Grundlage. Untersuchungen zeigen zweifelsohne, dass Corona-Impfstoffe sowie das Coronavirus selbst die Fruchtbarkeit nicht beeinträchtigen.
Die Behauptung basiert auf einer oberflächlichen Ähnlichkeit, die zwischen dem Spike-Protein des Corona-Virus, auf das sich die Impfstoffe konzentrieren, und einem Protein an den Wänden der Plazentazellen besteht. Um die Behauptung und die damit verbundenen Fehler zu verstehen, müssen wir zuerst den Kern ihrer Wahrheit betrachten: Was ist dieses Protein und wie erkennt unser Immunsystem Fremdkörper?
Die Schutzschicht des Embryos
Während ihrer Entwicklung wird um menschliche Embryonen ein temporäres Körperorgan namens Plazenta gebildet. Die Plazenta hat zwei Funktionen: Sie muss Nährstoffe von der Mutter zum Embryo transportieren, aber diesen auch gleichzeitig vom Körper der Mutter isolieren. Diese Isolierung wird durch verschiedene Faktoren ermöglicht, einschließlich der Struktur der äußersten Plazentaschicht, die als Synzytiotrophoblast bekannt ist.
Im Gegensatz zu den meisten Körpergeweben besteht diese Schicht nicht aus getrennten Zellen, sondern ist als eine Art Einzelzelle mit mehreren Kernen aufgebaut. Diese Struktur wird als Synzytium bezeichnet und befindet sich in mehreren anderen Geweben des Körpers, einschließlich der Muskeln. Da die Zellen miteinander verschmolzen sind, gibt es keinen Raum zwischen ihnen und der Embryo dichtet die Plazenta gegen die sie umgebende Gebärmutter ab.
Eines der Proteine, die am Aufbau dieser Schutzschicht der Plazenta beteiligt sind, ist Syncytin-1. Das Protein ist für die Fusion von Zellen verantwortlich, die zur Bildung der Synzytiumschicht, die die Plazenta umgibt, benötigt werden. Ohne dieses Protein wird die Plazentabildung beschädigt und das Leben des Fötus gefährdet. Als äußerste Schicht der Plazenta kommt sie darüber hinaus in direkten Kontakt mit dem Immunsystem der Mutter. Es sind bestimmte Autoimmunerkrankungen bekannt, bei denen das Immunsystem der Mutter das Synzytium schädigt und zum Tod des Embryo in der Gebärmutter führen kann.
1. Grund zur Beruhigung: Die Immunantwort auf das Virus schädigt die Plazenta nicht
Auf den ersten Blick könnte man also denken, dass die körpereigene Immunantwort auf das Coronavirus oder den Impfstoff auch ähnliche Proteine wie Syncytin-1 schädigen könnte. In der Praxis besteht die Gefahr aus mehreren Gründen nicht, die teilweise mit der Art des Virus und teilweise mit der Funktionsweise unseres Immunsystems zusammenhängen.
Die Immunantwort auf das lebende Coronavirus selbst ist viel stärker als die Reaktion des Körpers auf einen künstlichen Impfstoff. Wenn also die Bildung von Antikörpern gegen das Coronavirus die weibliche Fruchtbarkeit beeinträchtigen würde, würden wir dieses Phänomen in erster Linie bei Frauen erwarten, die an Corona erkrankten oder sich von ihr erholt haben. Obwohl es bereits Millionen von diagnostizierten Patienten auf der ganzen Welt gab und die Symptome der Krankheit eingehend untersucht wurden, gibt es bisher keine Hinweise darauf, dass die Corona Erkrankungsrate zu einem Anstieg der Fehlgeburten führt oder die Krankheit die Plazenta beschädigt.
Corona-Impfstoffe sind sicher, sie führen nicht zu Plazentaschäden. Schwangere Frau hält eine Maske | Foto: PH888, Shutterstock
2. Grund zur Beruhigung: Die Immunantwort wirkt sich nicht direkt auf die Plazenta aus
Besteht die Möglichkeit, dass sich die Zellen des Immunsystems täuschen und ausversehen die Plazenta und den sich entwickelnden Embryo angreifen? Hier müssen wir uns daran erinnern, dass das Immunsystem zwischen Körperzellen und externen Eindringlingen unterscheiden kann. Im Falle einer neuen Bedrohung mobilisiert das erworbene Immunsystem als Reaktion insbesondere weiße Blutkörperchen, sogenannte B- und T-Zellen, die Bedrohungen erkennen und ein dauerhaftes Immungedächtnis gegen sie schaffen können. Diese Fähigkeit basiert auf speziellen Rezeptoren, die sich an der Außenseite der Zellen des Immunsystems befinden und es ihnen ermöglichen, bestimmte Komponenten im Protein des Krankheitserregers zu identifizieren.
Wie alle Proteine bestehen Corona-Proteine aus Ketten von Aminosäuren, die die Grundbausteine aller Proteine in der Natur sind. Da das Spike-Protein des Virus und das menschliche Syncytin identische kurze Sequenzen von Aminosäuren aufweisen, wurde argumentiert, dass Antikörper gegen das eine Protein auch gegen das andere wirken. In der Praxis ist die Ähnlichkeit zwischen dem Protein des Virus und Syncytin jedoch extrem gering. Jedes der Proteine besteht aus Hunderten von Aminosäuren - fast tausend im Virusprotein, und es gibt fast keine Überlappung zwischen ihnen. Der Grad der Ähnlichkeit ist so bemerkenswert niedrig, dass Proteinvergleichsmittel wie die BLAST-Software ihn völlig übersehen.
Um die Ähnlichkeit zu finden, ist ein „einfacher“ Vergleich zwischen den Proteinsequenzen notwendig. Warum einfach? Weil Proteine in ihrer Anzahl mehr sind als die gesamten Aminosäuren, aus denen sie bestehen. Die ausgeklügelten Vergleichsmittel vergleichen nicht nur die Sequenz, sondern auch die chemischen Eigenschaften und die erwartete Form des Proteins. Darüber hinaus basieren die Rezeptoren der B- und T-Zellen auf längeren Sequenzen von mindestens acht Aminosäuren, sodass die Ähnlichkeit einiger Aminosäuren nicht ausreicht. Denkt daran, dass jede winzige Änderung der Zusammensetzung eines Proteins seine Funktion und Struktur vollständig verändern kann.
Professionelle Autorität?
Über die wissenschaftlichen Argumente hinaus stützt sich die Behauptung stark auf die Identität ihrer Herausgeber: Michael Yeadon, der bis 2011 ein ranghoher Pfizer-Mitarbeiter war, und der deutsche Arzt Wolfgang Wodarg. Beide haben eine Vergangenheit zahlreicher problematischer Aussagen und Halbwahrheiten. Erstens ist Yadon überhaupt nicht mehr mit Pfizer verbunden, da er dort vor fast zehn Jahren aufgehört hat zu arbeiten. Während der aktuellen Pandemie gab er eine Reihe falscher Aussagen von sich, einschließlich der unbegründeten Behauptung, dass „die Corona-Pandemie vorbei ist“, während Wodarg unbegründet argumentierte, dass „die Corona-Pandemie nicht schlimmer sei als die Grippe“.
Wie die meisten in den letzten Monaten in Bezug auf Corona-Impfungen erhobenen Behauptungen ist auch die derzeitige grundsätzlich unbegründet, auch wenn sie auf einem bestimmten sachlichen Kern basiert. Corona-Impfstoffe, die derzeit von den Weltgesundheitsbehörden zugelassen werden, basieren auf zuverlässigen Technologien, und ihre Sicherheit wurde in besonders umfangreichen Tests nachgewiesen.
Wissenschaftliche Beratung: Mida’at Verein.