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Wenn wir heute in den Nachthimmel blicken, sehen die meisten von uns fast keine Sterne. Sie werden von der künstlichen Beleuchtung verdeckt, die wir geschaffen haben, um die Nacht zu vertreiben.

Es geschah im Jahr 1833, zu später Nachtstunde. Überall in Nordamerika schreckten Menschen wegen des Trubels auf den Straßen aus dem Schlaf auf. Als sie nach oben blickten, erkannten sie, dass sie von Hunderten spektakulären „fallenden Sternen“ beleuchtet wurden! Ein Schauer von Hunderttausenden Meteoren pro Stunde. Die Begeisterungsrufe dauerten lange an, bis die Morgensonne das bunte Lichterschauspiel überdeckte und Millionen Menschen verblüfft und von einer schlaflosen Nacht ermüdet zurückließ. Enthusiastische Zeitungsschlagzeilen erschienen sogar in Europa.

Sommer 2020. Die Erdkugel hat die Staubspur durchquert, die der Komet Swift-Tuttle hinterlassen hat, und im israelischen Nachthimmel erschien wie jedes Jahr der Meteorstrom der Perseiden. Doch leider konnte man wegen der Lichtverschmutzung in den meisten Regionen des Landes die feinen Lichtstreifen nicht sehen, die die Meteore erzeugen, wenn sie sich beim Eintritt in die Atmosphäre rasch erhitzen. Tausende Israelis fuhren in die spärlich besiedelte Negev-Wüste, in der Hoffnung, eine dunkle Ecke zu finden, von der aus man den Meteorschauer sehen könnte. Die Zeitungen berichteten von ungewöhnlichen Verkehrsstaus und überfüllten Parkplätzen mitten in der Nacht.

Die Lichtverschmutzung bringt uns nicht nur um ästhetischen Genuss, sondern steht für das ganze Spektrum der negativen Auswirkungen der künstlichen Beleuchtung. Sie verdeckt den Nachthimmel, schädigt uns auf vielfache Weise und stört auch die Ökosysteme. Andererseits gibt es für dieses Problem nicht wenige Lösungen, und durch ihre Implementierung könnte viel Geld gespart werden.

Der Leoniden-Sturm von 1833 konnte in den dunklen Städten des Südens der USA beobachtet werden. Gravur von Adolf Vollmy | Quelle: Wikipedia, gemeinfrei

Die Dunkelheit verschwindet

Seit Anbeginn der Geschichte haben die Menschen staunend in den Himmel geblickt. Noch vor der Erfindung der Stadt war das Beobachten der Sterne die beste Show in der Stadt. Unzählige Religionen und Kulturen entwickelten Methoden und ganze Rituale rund um das Bestreben, die Himmelskörper zu verstehen, das bis heute die Quelle von bedeutenden wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen ist. Die Sterne befeuerten die Fantasie der alten Griechen, die um sie herum eine imposante Mythologie aufbauten, und die Sternsysteme, die sie identifizierten, leiteten viele Jahre später die europäischen Entdecker bei der Navigation ins Ungewisse.

Die Sterne inspirierten auch Künstler zu wunderbaren Werken, wie den Dramatiker William Shakespeare oder den Maler Vincent van Gogh. Die Bewegung der Sterne und die Beobachtungen Galileo Galileis standen im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Revolution des 17. Jahrhunderts, und die Sternforschung führte sogar zur Entwicklung der digitalen Kamera, die in den letzten Jahrzehnten unser Leben verändert hat.

ציורו של וינסנט ון-גוך "שמיים זרועי כוכבים" | מקור: ויקיפדיה,  נחלת הכלל

Der Himmel als Quelle des Staunens und Wissens. „Sternennacht“, Gemälde von Vincent van Gogh | Quelle: Wikipedia, gemeinfrei

Heute erzeugt die starke nächtliche Beleuchtung fast in jedem bewohnten Gebiet eine anhaltende Lichtverschmutzung, die uns vom Wunder und der ehrwürdigen Tradition der täglichen Sternebeobachtung entfernt. Laut auf Messungen basierenden Schätzungen leben fast alle Bewohner der USA und Europas in Gebieten mit bedeutender Lichtverschmutzung. Rund ein Drittel der Erdbewohner und fast vier Fünftel der Bürger der USA haben überhaupt keine Möglichkeit mehr, mit eigenen Augen die Milchstraße zu sehen, die unsere Heimat-Galaxie ist.

מפת זיהום האור בעולם | מקור: אטלס הבהירות של שמי הלילה

Viele Erdbewohner, vor Allem im Westen, sehen wegen der Lichtverschmutzung nur sehr wenig vom Nachthimmel. Weltkarte der Lichtverschmutzung | Quelle: Weltatlas der Helligkeit des Nachthimmels

Warum sieht man fast keine Sterne mehr?

Das Licht der meisten Sterne ist sehr schwach, wenn es uns erreicht, sodass ein ausreichend dunkler Hintergrund nötig ist, um sie und die meisten anderen Himmelskörper zu sehen. Es ist leicht, einen weißen Punkt vor einem dunklen Hintergrund zu erkennen, doch vor einem hellen Hintergrund ist das schwierig. Wenn Licht von der Erdoberfläche den Himmel erhellt, wird der Hintergrund der Sterne heller, und der Kontrast zwischen den Sternen und dem Hintergrund nimmt ab. Die trübsten Sterne verschwinden als erste, und je schlimmer die Lichtverschmutzung wird, desto mehr Sterne werden sich nach und nach unserem Blick entziehen. Mit ihnen werden auch die Lichtstreifen der Meteore verschwinden, die in den Höhen der Atmosphäre verglühen.

Nicht nur der Hintergrund der Sterne beeinflusst ihre Sichtbarkeit, sondern jedes Licht in unserem Gesichtsfeld. Unser Auge passt sich an die Lichtverhältnisse an, und je mehr Licht auf das Auge trifft, desto mehr verengt sich die Pupille und desto weniger Licht tritt durch sie durch und erreicht die Rezeptoren im Auge. Auch die Empfindlichkeit der Rezeptoren ändert sich entsprechend den Lichtverhältnissen. Empfindliche Rezeptoren, Stäbchen genannt, ermöglichen die Nachtsicht, aber sie brauchen viel Zeit, um sich an die Dunkelheit anzupassen. Daher werden wir schon nach einem kurzen Blick auf den hellen Schirm eines Telefons während einiger Minuten weniger Sterne sehen können.

Angemessene Beleuchtung

Niemand bestreitet, dass die nächtliche Beleuchtung wichtig ist. Sie gewährleistet uns auch in der Nacht eine sichere Umgebung, ermöglicht uns ein aktives Nachtleben, hilft uns, den Weg zu erkennen, und macht auf Schilder und markante Plätze aufmerksam. Jede Beleuchtung hat einen Zweck, aber fehlerhafte und ungenaue Planung macht sie auch zu einer Belästigung. Laut Aktivisten der „International Dark-Sky Association“ sind die Hauptprobleme Lichtquellen, die gegen den Himmel gerichtet sind, Beleuchtung, die die benötigte Fläche oder Zeitdauer überschreitet, und exzessive oder blendende Beleuchtung. Das ist umso trauriger, als der größte Teil der Lichtverschmutzung durch richtige Planung vermieden werden könnte.

Mangelhafte Planung kann sogar dem eigentliche Zweck der künstlichen Beleuchtung entgegenwirken. Stellt euch vor, was passieren würde, wenn alle Autos immer mit Fernlicht führen oder wenn ihre Scheinwerfer in alle Richtungen strahlten. Auch zu starke oder nicht richtig eingestellte Straßenbeleuchtung kann Lenker blenden und Straßenbenutzern Schwierigkeiten bereiten. Und das ist noch nicht das ganze Problem. Das sichtbare Licht, also jenes Spektrum der elektromagnetischen Strahlung, das wir sehen können, wird von der Atmosphäre nicht vollständig absorbiert, sondern in alle Richtungen gestreut. Somit erleuchten unsere Städte und Straßen den Himmel auch noch in einer Entfernung von Dutzenden Kilometern.

Ökologische und astronomische Lichtverschmutzung, aus einem Bericht der israelischen Vereinigung für Ökologie und Umweltwissenschaften

Ökologische und astronomische Lichtverschmutzung, aus einem Bericht der israelischen Vereinigung für Ökologie und Umweltwissenschaften

Verschmutzung von oben

Um der Lichtverschmutzung und anderen Störungen zu entgehen, ist es üblich, wissenschaftliche Teleskope auf entlegenen und finsteren Bergen aufzustellen. Doch Lichtverschmutzung einer neuen Art bedroht sogar diese entfernten Dunkelheitsasyle. Im kommenden Jahrzehnt sollen rund 80.000 Kommunikationssatelliten in eine Erdumlaufbahn gebracht werden, was ungefähr der zehnfachen Menge der Mitte 2021 existierenden Satelliten entspricht. Mit diesen Satellitensystemen will man entlegene Regionen, wo sich das Verlegen von optischen Fasern wirtschaftlich nicht lohnt, an das Internet anbinden. Aber die Sache hat einen Haken – diese Satelliten reflektieren das Sonnenlicht, auch in Richtung Boden, und leuchten daher, so ähnlich wie der Mond. Somit verändert das Vorhandensein von Satelliten den Nachthimmel und erschwert astronomische Beobachtungen.

Ingenieure haben den Aufbau dieser Satelliten verändert, sodass die Stärke des von ihnen reflektierten Lichts vermindert wurde. Die Verbesserung ist bisher nicht ausreichend, und die Sensoren der Teleskope werden noch immer geblendet. Die meisten Internetsatelliten werden heute in niedrige Umlaufbahnen geschossen, und der Schatten der Erdkugel schirmt sie während eines Teils der Nachtstunden vom Sonnenlicht ab. Doch schon in der sehr bescheidenen Höhe von 600 Kilometern bewirken die Satellitensysteme eine fast permanente Blendung der Sensoren und beeinträchtigen die astronomische Forschung erheblich. Die meisten Kommunikationssatelliten kreisen in viel größerer Höhe, bei 35.600 Kilometern.

Laut Jonathan McDowell vom Harvard-Smithsonian-Zentrum für Astrophysik in den USA „können die Satelliten in niedriger Umlaufbahn einem sehr auf die Nerven gehen, aber man kann damit fertig werden. Die hoch fliegenden Satelliten bedeuten ‚Nimm dein Teleskop und geh nachhause‘“.

Radioteleskope dürften vom dramatischen Anstieg der Zahl der Kommunikationssatelliten sogar noch stärker in Mitleidenschaft gezogen werden. Internetübertragungen verwenden Wellenlängen im gleichen Bereich wie jene, die von den Teleskopen registriert werden, aber die Strahlung ist mehr als eine Million Mal stärker als jene der gesuchten Himmelskörper. Daher kann ein Kommunikationssatellit, der Signale in Richtung eines Radioteleskops sendet, sogar dessen empfindliches Instrumentarium zerstören.

A stack of multiple consecutive exposures, across a 30 minute timespan, captured the trails of Starlink satellites over Bryce Canyon, Utah, USA. [Spencer’s Camera and Photo]

 

Eine Staffel von mehrfachen aufeinanderfolgenden Belichtungen über einen Zeitraum von 30 Minuten bildete die Bahn von Starlink-Satelliten über dem Bryce Canyon in Utah, USA, ab | Spencer’s Camera and Photo

 

Unschuldige Opfer

Die Menschen sind nicht die einzigen, die in den Nachthimmel schauen und die Sterne beobachten. Auch Vögel, Seehunde und sogar Mistkäfer benutzen die Sterne zur Orientierung und können sich verirren, wenn sie sie nicht wahrnehmen können. In einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung zeigten Forscher, dass Mistkäfer, die ihre Kotkugeln meist in gerader Linie rollen, beginnen im Kreis zu gehen, wenn sie erheblicher Lichtverschmutzung ausgesetzt sind. Frisch geschlüpfte Meeresschildkröten am Strand werden durch die Lichter der Stadt verwirrt und finden den Weg zum Meer nicht.

Tiere werden nicht nur durch die Beeinträchtigung ihres Orientierungssinns geschädigt. Nachtaktive Insekten, zum Beispiel Nachtfalter, meiden lichtdurchflutete Gebiete, wo sie Räubern ausgesetzt sind. Das erschwert ihnen die Nahrungsfindung und schädigt indirekt auch die Pflanzen, die für die Bestäubung von diesen Insekten

abhängen. Eine vor rund vier Jahren veröffentlichte Untersuchung zeigte, dass Straßenbeleuchtung die Vermehrung von Pflanzen erheblich beeinträchtigen kann, was schlussendlich auch die Tiere schädigt, die sich von ihnen ernähren.

Die Lichtverschmutzung erreicht sogar die Meere und Ozeane und beeinflusst die Tiere, die darin leben. Eine Untersuchung über den Falschen Clownfisch (Amphiprion ocellaris) - das ist jener „Clownfisch“, der aus dem Film „Findet Nemo“ bekannt ist - zeigte, dass seine Jungen immer in der Nacht schlüpfen, was ihre Chance, Räubern zu entkommen, erhöht. Als die Eier 24 Stunden am Tag Licht ausgesetzt waren, schlüpften die Jungen einfach nicht.

Es scheint also, dass wir überall, wo wir hingucken, negative Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf Lebewesen finden. Zweifellos werden weitere Untersuchungen in der Zukunft noch andere derartige Einflüsse aufzeigen.

Ein Problem, dessen Lösung sich lohnt

Die Lichtverschmutzung ist auch mit einer gewaltigen Verschwendung von Geld und Strom verbunden, und deshalb zahlt es sich aus, dieses Problem zu behandeln. In Israel haben zum Beispiel die nationalen Wasserwerke „Mekorot“ in Zusammenarbeit mit Umweltschutzorganisationen ein Programm angekündigt, wonach ihre Einrichtungen nur nach Bedarf beleuchtet werden sollen. Über den Beitrag zur Reduktion der Lichtverschmutzung hinaus schätzt das Unternehmen, dass es damit jährlich rund 150.000 Euro an Strom-, Wartungs- und Betriebskosten einsparen wird.

Die Lösungen konzentrieren sich auf sorgfältige Planung, sodass Beleuchtung nur dort eingesetzt wird, wo es nötig ist. Spezielle Beleuchtungskörper verhindern, dass Licht in die Richtung des Himmels, der Häuser oder anderer unerwünschter Stellen austritt. Stoppuhren und Bewegungsmelder erlauben es, das Licht nur dann einzuschalten, wenn es erforderlich ist. Die Verwendung sparsamer Glühbirnen mit warmer Lichtfarbe und passender Leistung verringert noch zusätzlich die Schäden und den Stromverbrauch.

Die Kartierung der Verschmutzung hilft, die problematischsten Stellen anzuvisieren. Umweltkörperschaften wie die Naturschutzbehörde haben zum Beispiel die Lichtverschmutzung auf den Straßen und Stränden Israels kartiert, unter Berücksichtigung der ökologischen Anfälligkeit ihres Umfelds für die Lichtverschmutzung. Bürgerwissenschaftsprojekte ermöglichen es auch der breiten Öffentlichkeit, bei der Kartierung des Problems mitzuwirken. Eine präzise Kartierung hat gezeigt, dass der Ramon-Krater als „Sternenlicht-Naturschutzgebiet“ erhalten bleiben muss – ein angesehener internationaler Status, der dem Krater 2017 verliehen wurde.

Wie bei vielen anderen Umweltproblemen ist anscheinend auch hier der Ball in unserem Feld. Wir müssen vor der Lichtverschmutzung warnen und auf Mittel zu ihrer Verminderung hinweisen. Es ist unter Anderem möglich, das Austreten von Licht im Umfeld unserer Häuser und Arbeitsplätze einzuschränken. Auch hier haben die Entscheidungsträger den stärksten Einfluss, auch auf munizipaler Ebene, weil ja ein erheblicher Anteil der Lichtverschmutzung von der öffentlichen Beleuchtung herrührt und professionelle Planung sie stark herabsetzen kann. Darüber hinaus können gezielte Gesetze auch die Lichtverschmutzung beschränken, die von privaten Beleuchtungskörpern ausgeht, und viele Länder wenden derartige Gesetze bereits an.