Die große Bibliothek von Alexandria ist berühmt dafür, dass sie die größte Büchersammlung der Antike war, und vor allem wegen des Feuers, das sie zerstörte. Aber die meisten Historiker glauben heute, dass die Bibliothek nicht verbrannte, sondern langsam aus Mangel an Budget zugrunde ging.
Theodotos: … was dort verbrennt, ist das Gedächtnis der Menschheit.
Caesar: Ein Gedächtnis an Schandtaten – lass es brennen.
Theodotos: Willst du die Vergangenheit zerstören?
Caesar: Ja. Und die Zukunft auf ihren Ruinen bauen.
(aus: George Bernard Shaw: "Caesar und Cleopatra", frei übersetzt)
Bis es sie nicht mehr gab
Was geschah mit der wunderbaren Bibliothek, dem Forschungszentrum und all den Büchern? Wie kann ein so immenser Bestand von Wissen verschwinden? Menschen mochten immer schon gute Geschichten: Held und Bösewicht, Katastrophe und Wiedererwachen, prägende, einmalige Ereignisse, die man leicht verstehen kann. Dies ist wahrscheinlich der Grund, warum die Geschichte des Bibliothekenbrandes im kollektiven Bewusstsein Fuß gefasst hat: eine schreckliche Katastrophe, die zeitlich begrenzt ist, mit einem eindeutigen Bösewicht, den man anklagen kann, auch wenn seine Identität sich mit den Jahren immer wieder mal geändert hat.
Wie in vielen anderen Fällen reiht sich die Wahrheit schlecht in eine gute Geschichte ein. Brände beschädigten zuweilen Alexandrias Bibliothek, wie von einem Gebäude zu erwarten ist, in dem Papyrusrollen aufbewahrt werden, aber es gab dieses große Feuer, das alles zerstörte, nicht, und keine historische Figur hatte die Absicht, die Bücher zu vernichten.
Das ist, soweit wir wissen, die wahre Geschichte der Bibliothek von Alexandria, eins der ehrgeizigsten Unternehmen der Antike: wie sie gebaut wurde und wie sie über viele Jahre der Vernachlässigung langsam zerfiel, bis sie verschwand.
Eine Stätte des Wissens, mit Hunderttausenden von Papyrusrollen. Die Bibliothek von Alexandria, wie sie sich die Entwerfer des Spiels „Assassin's Creed“ vorgestellt haben. Quelle: egypttoursportal.com
Alle Bücher der Welt
Alexandria wurde nach ihrem Gründer benannt, Alexander dem Großen, und sollte schon von Anfang an eine kosmopolitische Stadt sein, die der Welt das Beste der hellenistischen Kultur präsentiert. Die Stadt liegt im Delta des Nils, am Ufer des Mittelmeers, und ist durch diese Lage die Verbindung zwischen Ägypten und Griechenland. Ptolemaios I., der ein General in Alexanders Armee war und nach dessen Tod der Herrscher von Ägypten wurde, setzte seine Residenz in Alexandria fest, das fast dreihundert Jahre lang, bis zu Kleopatras Tod, Hauptstadt der ptolemäischen Dynastie blieb. Zur Zeit von Ptolemaios II. wurde der berühmte Leuchtturm gebaut, der als eines der Sieben Weltwunder der Antike gilt.
Der genaue Zeitpunkt der Gründung der Bibliothek und des Museums ist nicht klar. Die Idee kam wohl schon zur Zeit des Ptolemaios I. auf, also zwischen 305 v. Chr. und 282 v. Chr. Aber erst in der Herrscherzeit seines Nachfolgers Ptolemaios II., der bis 246 v. Chr. regierte, wurde sie verwirklicht. Eindeutig ist, dass die ersten Könige der Dynastie sich sehr für das Projekt einsetzten und viel Geld darin investierten, insbesondere in der Bibliothek und dem Kauf der Bücher. Viele der Bücher wurden auf den griechischen Märkten gekauft, aber man beschränkte sich offenbar nicht darauf. Der berühmte griechische Arzt Galen (Γαληνός) behauptete, dass die Beamten des Königs Ptolemaios II. jedes Schiff im Hafen von Alexandria durchsuchten und jedes Buch beschlagnahmten. Die Bücher wurden in die Bibliothek gebracht, wo sie sorgfältig kopiert wurden, und die Kopien – nicht die Originale – wurden zu den Schiffen gebracht. Die Originale landeten auf den Regalen der Bibliothek.
Eine weitere von Galens Geschichten handelt von seltenen Versionen der Tragödien von Sophokles, Aischylos und Euripides, den drei großen Dramatikern des antiken Griechenlands. Die Manuskripte dieser Stücke wurden in Athen aufbewahrt, aber die Athener waren bereit, sie für einen besonders hohen Preis auszuleihen, den die Bibliothekare als Kaution bezahlen mussten. Wie erwartet erhielten die Athener nur Kopien zurück. Galen, dies sollte erwähnt sein, lebte im zweiten Jahrhundert nach Christus, Hunderte von Jahren nach der Gründung der Bibliothek, weshalb seine Geschichten mit großer Vorsicht zu genießen sind. Es gibt aber eine Fülle von Quellen, die eindeutig auf die großen Anstrengungen hinweisen, auf königliche Weisung hin so viel Bücher wie möglich zu ergattern. Verschiedene Quellen beschreiben den Zweck des königlichen Projektes als „das Sammeln aller existierender Bücher der Welt“.
Die Bibliothek beschränkte sich nicht darauf: Sie unterhielt ein riesiges Übersetzungsunternehmen, und Gelehrte aus allen Ländern des hellenistischen Imperiums übersetzten Bücher aus vielen Sprachen ins Griechische. So konnten die Forscher im Museum, vielleicht zum ersten Mal, die Schriften von Gelehrten aus Indien und bis Nordafrika lesen.
Unter diesen Übersetzungen befand sich auch die Septuaginta. Laut dem Aristeasbrief lud Ptolemaios II. selbst 72 der Ältesten der Juden nach Alexandria ein, damit sie die fünf Bücher Mose für die Bibliothek übersetzen. Die Forscher sind sich heute einig, dass der Aristeasbrief nach der Zeit von Ptolemaios II. geschrieben wurde und voller Einzelheiten ist, deren Ziel es ist, den König zu verherrlichen, und die betonen, wie sehr er die fünf Bücher Mose und die Arbeit der Übersetzer schätzte. Es steht dort zum Beispiel, dass der König den Übersetzern luxuriöse Zimmer und alles, was sie wollten, gegeben und sie jeden Morgen in den Palast eingeladen habe. All dies verringert zwar die Glaubwürdigkeit des Briefes, aber die hauptsächlichen Tatsachen über die Septuaginta werden auch von anderen Quellen unterstützt.
Ptolemaios II. spricht mit einem Teil der Septuaginta-Übersetzer. Gemälde von Jean-Baptiste de Champaigne, 1672, Versailles.
Koryphäen der hellenistischen Kultur
Wir wissen wenig über die Bibliothek selber – wo sie gebaut wurde, ob sie Teil des Museums war, oder eine eigenständige Institution, und wie viele Bücher sich in ihrer Blütezeit dort befanden. Es scheint, dass der Grund des Mangels an Information zum Teil ironischerweise darin liegt, dass die Bibliothek so berühmt war: „Wieso sollte ich über die Anzahl der Bücher, die Gründung der Bibliothek, oder über die Museumssammlung sprechen, da diese ja jedem von uns in Erinnerung sind“, sagte der griechische Rhetoriker Athenius des 2. Jh. n. Chr.
Nach dem Wenigen, das wir wissen, befanden sich wahrscheinlich Hunderttausende von Büchern in der Bibliothek. Vielleicht waren es Hunderttausende von Papyrusrollen, und in jedem Buch waren mehrere solcher Rollen. Ohne Zweifel war sie jedoch so groß, dass die Forscher die Bücher, die sie suchten, schwerlich finden konnten. Der Gelehrte und Dichter Kallimachos, der in der Bibliothek arbeitete, erfand darum den Pinax (pl. Pinakes) – ein griechisches Wort, das Tafel oder Tabelle bedeutet und ins Hebräische als „Pinkas“ eingeflossen ist, in der Bedeutung eines kleinen Notizbuches, meistens von Schriftstellern und Beamten benutzt. Der Pinax war wahrscheinlich der erste Katalog, in dem die Namen der Bücher, die Namen ihrer Autoren, ihre Tätigkeiten, Wissensgebiete, die Anzahl der Zeilen im Buch und vieles mehr verzeichnet waren. Vor der Bibliothek von Alexandria gab es keine Bibliothek, die genügend Bücher hatte, die eine solche Erfindung rechtfertigt hätte.
Könige waren in der Antike oftmals Mäzene von Gelehrten (heute würde man sagen: Sponsoren), aber die ptolemäischen Könige wählten einen anderen Weg: Sie finanzierten die Institutionen, die Lernen und Forschen ermöglichten, und dies über mehrere Generationen hinweg. Nicht jeder hielt es für eine rentable Investition: Der satirische Dichter Timon von Phlius schrieb im 2. Jh. v. Chr.: “Viele weiden im volkreichen Ägypten; Bücherkundige, Eingepferchte, endlos Streitende im Hühnerstall der Musen.”
Was veranlasste Ptolemaios I. und seine Nachfolger dazu, so viel Geld in Forschungsinstitute zu investieren? Der Historiker Andrew Erskine von der Universität Edinburgh in Schottland behauptet, dass sie dies vor allem deswegen taten, weil ihnen die Verbundenheit zwischen den ursprünglich aus Griechenland stammenden Bewohnern Alexandrias und der griechischen Kultur und der hellenistischen Welt außerhalb von Ägypten wichtig war.
Die Bibliothek ist nach dem Modell von Aristoteles' Schulbibliothek konzipiert – Aristoteles war einer von Alexanders Lehrern – und enthielt die wichtigsten altgriechischen Werke wie die von Homeros. Der Erwerb (oder: Raub) der berühmten Tragödien aus Athen war auch Teil dieses Bestrebens, die griechische Kultur auch im weitentfernten Griechenland zu bewahren. In der Bibliothek gab es zwar auch Bücher aus anderen Kulturen, aber diese wurden alle ins Griechische übersetzt.
Außerdem, so schreibt Erskine, versuchten die ptolemäischen Könige, sich als wichtigste Autorität der hellenistischen Welt zu positionieren, nicht nur politisch, sondern auch kulturell. Der Bau und die Finanzierung der Bibliothek und des Museums dienten diesem Ziel. Sowohl Bibliothek wie Museum zogen Gelehrte aus anderen griechischen Kolonien an und machte Alexandria zum größten Zentrum seiner Zeit im Bereich der Wissenschaften und der Kultur.
Eine unglaubliche Investition in Forschung und Kultur. Die Bibliothek von Alexandria zur Zeit ihres Höhepunktes. Holzstich aus dem 19. Jh. Quelle: BILDAGENTUR-ONLINE / TH FOTO / SCIENCE PHOTO LIBRARY
Der erste Bösewicht: Julius Caesar
Alexandria war während vieler Generationen das Zentrum des Forschens und des Wissens – aber dann gerieten sowohl Museum wie Bibliothek in Vergessenheit. Wie ist das geschehen? Beginnen wir mit den Mythen.
Der Mensch, dessen Name mehr als jeder andere für die Zerstörung der Bibliothek von Alexandria verantwortlich gemacht wird, ist Julius Caesar. Bernard Shaws Stück, aus dem ein paar Zeilen zu Beginn zitiert wurden, ist ein Produkt dieser Auffassung und vielleicht auch selbst einer der Gründe, warum sie bis heute so verbreitet ist.
Caesar entfachte tatsächlich ein Feuer in Alexandria, dies ist eine gut dokumentierte historische Tatsache, auch von Caesar selbst. Er kam Kleopatra in ihrem Krieg gegen ihren Bruder Ptolemaios XIII. zu Hilfe und belagerte Alexandria. Die ptolemäischen Schiffe wurden in Brand gesetzt, und das Feuer schlug auch auf Gebäude am Hafen über, und laut einigen der Berichte erreichte es sogar die Innenstadt. Hat es auch die Bibliothek beschädigt? Dies ist schwieriger zu bestimmen.
Die erste Quelle, chronologisch gesehen, die die Bibliothek oder zumindest die Bücher erwähnt, ist der römische Philosoph Seneca, 65 n. Chr. gestorben, der sich auf eine andere Quelle stützt, die aber nicht erhalten ist. Er schrieb, das Feuer habe die Lagerhäuser beschädigt, und 40.000 „von Alexandrias Bücher“ seien verbrannt worden. Ab dieser Beschreibung werden Berichte immer dramatischer. Wenige Jahrzehnte später lesen wir schon, dass Caesars Feuer „die große Bibliothek zerstörte“, und im zweiten Jahrhundert erreichte die Zahl der angeblich verbrannten Papyrusrollen schon 700.000.
Zwei hauptsächliche Probleme stecken in diesen Behauptungen. Das erste ist, dass Quellen aus der Zeit des Feuers, die dieses Feuer und Cäsars Schlachten in Ägypten im Allgemeinen dokumentieren, nichts über einen Schaden der Bibliothek, die doch sehr berühmt war, sagen. Das zweite ist, dass Alexandria auch nach diesem Brand noch mehrere Jahrzehnte lang ein intellektuelles Zentrum blieb, sodass ein schwerer Schaden an der Bibliothek oder am Museum zweifelhaft ist.
Der griechische Gelehrte Strabo (Στράβων) besuchte das Museum etwa 22 Jahre nach dem Brand und beschrieb die Lernenden dort, ohne eine schreckliche Katastrophe zu erwähnen, die geschehen sei. Er erwähnte allerdings die Bibliothek nicht ausdrücklich – deshalb gibt es solche, die behaupten, dass die Bibliothek schon gar nicht mehr existierte. Die meisten Historiker bestreiten diese Annahme und meinen, die Bibliothek sei einfach Teil des Museums gewesen. Heute nehmen die meisten an, dass das Feuer Gebäude in der Stadt beschädigte, unter anderem vielleicht Lagerhäuser, in denen Bücher aufbewahrt wurden. Aber die Bibliothek selbst überlebte.
Sein Brand hatte offenbar nichts mit der Bibliothek zu tun. Julius Cäsar erobert mit seinen Soldaten Alexandria. Zeichnung in einem französischen Buch aus dem 15. Jh. Quelle: BRITISH LIBRARY / SCIENCE PHOTO LIBRARY
Der zweite Bösewicht: die frühen Christen
Wenn Julius Cäsar die Bibliothek nicht verbrannte, könnte es dann sein, dass eine andere historische Figur dafür schuld ist? Jahrhundert nach Cäsar ereignete sich ein Brand in der Stadt, der auch mit der Bibliothek zu tun hat. Im vierten Jahrhundert, nach Kaiser Konstantins Bekehrung zum Christentum, wurde dieses zur offiziellen Religion des Römischen Reiches. Der Kaiser Theodosius I, der 379 an die Macht kam, erließ eine Reihe von Dekreten, deren Ziel es war, heidnische Religionen im Reich zu unterdrücken. Er verstärkte das Verbot, das Konstantin vor ihm bestimmten Ritualen auferlegt hatte, verbot das Schenkopfer, schloss Tempel und beschlagnahmte deren Eigentum, hob Feste auf, die von anderen Religionen herstammten, und vieles mehr.
Die Anhänger anderer Religionen wehrten sich natürlich gegen diese Maßnahmen, und im Jahr 391 kam es in Alexandria zu interreligiösen Zusammenstößen. Es ist nicht klar, was dort genau geschah – die Dokumentation von Gelehrten beider Seiten ist sehr unterschiedlich -, aber es ist klar, dass das Serapeum von Alexandria, dem Gott Serapis gewidmet, zerstört und niedergebrannt wurde und eine Kirche auf seinen Ruinen errichtet wurde. In diesem Tempel war eine Bibliothek, die wahrscheinlich ebenfalls zerstört wurde, jedoch nicht Alexandrias berühmte Bibliothek, denn diese existierte leider zu diesem Zeitpunkt nicht mehr.
Es scheint, dass zu seinen Zeiten die Bibliothek nicht mehr existierte. Eine römische Münze aus dem 4. Jh. mit dem Porträt des Kaisers Theodosius I. Quelle: cngcoins.com, Wikipedia
Der dritte Bösewicht: Umar ibn al-Chattab
Der dritte bedeutende Name, der im Zusammenhang mit der Zerstörung von Alexandrias Bibliothek häufig genannt wird, ist Umar ibn al-Chattab, der als Gründer des islamischen Imperiums gilt. Im siebten Jahrhundert eroberte Umar unter anderem Syrien, den Irak, Palästina und Ägypten. All dies geschah fast 300 Jahre nach dem Abbrennen des Serapeums und damit auch Jahrhunderte, nachdem die Bibliothek von Alexandria nicht mehr existierte. Die Geschichten verbreiten sich aber trotz dieser Tatsache.
Gregorius Bar-Hebraeus, Sohn eines jüdischen Arztes, war Bischof der syrisch-orthodoxen Kirche und schrieb sehr viel über die islamischen Länder. Unter anderem beschrieb er die Eroberung von Alexandria durch Umar auf sehr dramatische Weise. Nach seiner Version fragten die Soldaten der Besatzungsarmee den Kalifen, was mit den vielen Büchern in der wundervollen Bibliothek zu tun sei, und Umar soll geantwortet haben, dass es nur zwei Möglichkeiten gebe: Entweder widersprechen sie dem Koran, dann sind sie Gotteslästerung und müssen verbrannt werden, oder sie stimmen mit dem Koran überein, und dann brauche man sie nicht, denn alles stehe ja schon im Koran. Bar-Hebraeus erzählt, dass darauf die Bücher zum Heizen der Öfen in den Tausenden der Bäder in der Stadt und ein halbes Jahr lang als Brennstoff gebraucht wurden.
Das ist zweifellos frei erfunden. Bar-Hebraeus lebte etwa dreihundert Jahre nach der Eroberung der Stadt, und es scheint, dass er Gerüchte und Mythen aufgeschrieben hat, die unter den Christen verbreitet waren, vielleicht um ihre Rivalen anzuschwärzen. Es ist möglich, dass die Muslime, die Alexandria eroberten, eine christliche Bibliothek zerstörten, aber die große Bibliothek von Alexandria existierte, wie bereits erwähnt, schon seit Hunderten von Jahren nicht mehr.
Der Kalif Umar erobert Jerusalem im Jahr 638. Gemälde, 1905. Unbekannter Maler. Quelle: Wikipedia
Ein Wandel in den Prioritäten
Was also geschah mit dieser Bibliothek? Die meisten Historiker sind sich heute einig, dass sie während Jahrzehnten und vielleicht Jahrhunderten wegen einer Änderung der Prioritäten der Herrscher verfallen ist. Dieser Verfall begann schon vor Cäsars Zeiten. Im Jahr 145 v. Chr. beschloss der damalige Hauptbibliothekar und einer der wichtigsten Forscher im Museum, Aristarchos (Ἀρίσταρχος), sich in den Erbkrieg der Familie Ptolemaios einzumischen. Als die Seite verlor, die er unterstütze, verfolgte ihn der Sieger Ptolemaios VIII., und Aristarchos musste aus Ägypten fliehen. Ptolemaios befahl darauf die Ausweisung aller ausländischen Gelehrten aus der Stadt.
Dieser Abgang der Wissenschaftler veränderte das Kräftegleichgewicht in der hellenistischen Welt: Die Bibliothek und das Museum standen nicht mehr im Mittelpunkt des Studiums und der Forschung wie zuvor. Die nächsten Könige der Ptolemaios-Dynastie waren mit Kriegen und mit Unruhen innerhalb des Landes beschäftigt, und die Bibliothek stand nicht mehr an der Spitze ihrer Prioritäten.
Und dann kamen die Römer. In der hellenistischen Zeit waren die Herrscher Ägyptens die Könige des Hauses Ptolemaios, und Alexandria war ihre Heimat und Hauptstadt, das Juwel ihres Königreiches, auf die sie stolz waren. Infolge der römischen Eroberung ging die Macht an Herrscher auf der anderen Seite des Mittelmeeres über, die wenig Interesse an der hellenistischen Stadt und ihrem Erbe hatten. Die Bedeutung von Alexandria als Ganzes sank, und damit auch die Bedeutung der Bibliothek.
Die römischen Kaiser hatten auch andere Prioritäten in Bezug auf Forschung und Bildung. Während in der hellenistischen Zeit die Wissenschaftler des Museums nach ihren Fähigkeiten in Forschung und Studium gewählt und gefördert wurden, war es in der Zeit der römischen Herrscher möglich, dass jemand durch seine Leistungen in der Armee oder sogar im Sport Mitglied wurde. Im ersten Jahrhundert nach Christus wurde ein Militäroffizier zum Oberbibliothekar ernannt, der, soweit wir wissen, kein Forscher war – ein klarer Richtungswechsel im Vergleich zu den Oberbibliothekaren davor, die in ihrer Zeit berühmte Gelehrte waren.
Eine Papyrusrolle mit Text des Historikers Herodes, geschrieben wahrscheinlich im 3. Jh. v. Chr. in Alexandria. Quelle: Wikipedia
Sic transit gloria mundi
Während die große Bibliothek langsam verblühte, wurden andere Bibliotheken rings um das Mittelmeer und sogar in Alexandria gegründet, darunter jene im Serapeum, die im vierten Jahrhundert von Christen zerstört wurde. Möglicherweise wurden viele Bücher der großen Bibliothek an die neuen Bibliotheken weggegeben. Der Niedergang dauerte lange. Ab Mitte des dritten Jahrhunderts nach Christus werden das Museum und die Bibliothek nirgends mehr erwähnt.
Die große Bibliothek von Alexandria, und dem Museum daneben, waren das bedeutendste Lern- und Forschungszentrum ihrer Zeit. Es enthielt eine beeindruckende Sammlung von Wissen, in einem Umfang, wie keine Bibliothek zuvor, oder Hunderte von Jahren danach. Unzählige Gelehrte versammelten sich und kamen aus der ganzen Welt zu ihr und stellten ihre Schriften in die Regale. (Der ganze Abschnitt ist überflüssig und eine reine Wiederholung.)
Diese Bücher gingen verloren, und vom Gebäude ist keine Spur mehr da – aber in gewisser Weise ist das Erbe der großen Bibliothek nicht ganz verschwunden. Wissenschaftler, die sie verließen, gründeten Bibliotheken und Forschungszentren in anderen Städten, und ihre Studenten studierten und lehrten weiter und reichten die Fackel der Bildung weiter, lange nachdem die Bibliothek selbst ihre historische Bibliothek erfüllt hatte. Sic transit gloria mundi – so vergeht der Ruhm der Welt – nicht im tobenden Lärm von Feuersbrünsten und fallenden Mauern, sondern im Flüstern von Staub in verlassenen Hallen, im Tuscheln von zerbröckelndem Papyrus, und in der Stille einer leeren Kasse.