Wie kann man ein Ei auf seinen „Scheitelpunkt“ stellen, ohne dass es umfällt, und was hat das mit Kolumbus zu tun?

In diesem Experiment werden wir sehen, wie man ein Ei auf sein spitzes Ende stellen kann und wie das mit Salz, einem Tisch und Kolumbus zusammenhängt.

Was brauchen wir?

  • Ein Ei
  • Salz

​Ablauf des Experiments

Den Ablauf des Experiments kannst du in dem kurzen Film sehen:

Massenmittelpunkt

Wer versucht, ein Ei auf einem Tisch aufzustellen, auf seinem spitzen Ende oder auf seinem stumpferen Ende, ohne etwas hinzuzufügen oder etwas an dem Ei zu verändern, wird entdecken, dass das eine sehr schwierige, ja vermutlich sogar unmögliche Aufgabe ist. Der Grund dafür ist der so genannte Massenmittelpunkt, der unter anderem bestimmt, ob Gegenstände, die wir hinlegen, stabil sind oder nicht.

Der Massenmittelpunkt, oder Schwerpunkt, ist ein Punkt, den man für Körper und Formen bestimmen kann und der in physikalischer Hinsicht die gesamte Masse des Körpers vertritt – als ob die Masse nicht auf den von ihr eingenommenen Raum verteilt, sondern an diesem einzigen Punkt konzentriert wäre. Die Idee des Schwerpunkts legte als erster der griechische Wissenschaftler und Physiker Archimedes vor ca. 2.300 Jahren vor. Wie viele andere Entdeckungen und Erfindungen von Archimedes findet der Schwerpunkt auch noch heutzutage zahlreiche Anwendungen in der Physik und im Ingenieurwesen.

Bei physikalischen Berechnungen ist es üblich, das Volumen eines Körpers zu ignorieren und ihn so zu behandeln, als befände er sich an seinem Schwerpunkt. Der Schwerpunkt von einfachen symmetrischen Körpern befindet sich in deren geometrischem Mittelpunkt: der Schwerpunkt eines Quadrats ist der Schnittpunkt seiner Diagonalen; beim Kreis – der Mittelpunkt des Kreises; beim Dreieck – der Schnittpunkt seiner drei Seitenhalbierenden (der Geraden, die jeweils eine Ecke des Dreiecks mit dem Mittelpunkt der gegenüberliegenden Seite verbinden); und bei einer geraden Stange – die Mitte der Stange.

Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, einen Körper in einer stabilen Lage zu halten, also ihn an einer Stelle ins Gleichgewicht zu bringen, ohne dass er umfällt oder sich bewegt: entweder den Schwerpunkt des Körpers direkt an etwas festzumachen, oder den Körper auf einen Punkt oder eine „Basis“ zu stützen, welche sich auf einer zum Boden senkrechten Geraden genau über oder unter dem Schwerpunkt befinden (siehe Illustration).

Nur wenn der Schwerpunkt eines Körpers sich senkrecht über dem Auflagepunkt befindet, fällt der Körper nicht um – deswegen sind die Rollen A und B stabil, während die Rolle C umfallen wird.
Nur wenn der Schwerpunkt eines Körpers sich senkrecht über dem Auflagepunkt befindet, fällt der Körper nicht um – deswegen sind die Rollen A und B stabil, während die Rolle C umfallen wird.

Bei einem Ei befindet sich der Schwerpunkt ungefähr in der Mitte des Eis, doch weil dessen Ende abgerundet ist, berührt es den Tisch, auf den das Ei gelegt wird, nur an einer winzigen Fläche, die man näherungsweise als Punkt (Tangentialpunkt) betrachten kann. Es ist äußerst schwierig, den Schwerpunkt genau über jener Fläche zu platzieren, an der das Ei den Tisch berührt. Weil es sich um eine winzige Fläche handelt, genügt eine minimale Abweichung, auch von einem hundertstel Millimeter, durch die der Schwerpunkt nicht mehr genau über dem Tangentialpunkt liegt, und das Ei kippt um.

Die Auflagefläche

Beim Menschen befindet sich der Schwerpunkt in der Gegend des Nabels,  und obwohl wir genau unter dem Nabel keine Stütze haben – unsere Beine befinden sich nicht genau unter dem Nabel - , fallen wir nicht um. Die Erklärung dafür liefert ein weiterer physikalischer Begriff, die Auflagefläche – unsere Füße berühren den Boden, und die ganze Fläche zwischen unseren Füßen heißt Auflagefläche. Solange sich der Schwerpunkt über der Auflagefläche befindet, fällt der Körper nicht um. Genau so gilt: die unteren Enden der vier Tischbeine bilden die Auflagefläche für den Tisch, und deshalb kippt der Tisch nicht um. 

Als wir Salz auf dem Tisch verstreut haben, haben wir mehrere Punkte geschaffen, auf die das Ei sich stützen kann, wobei die ganze Fläche zwischen ihnen die Auflagefläche bildet. Das Ei ruht also nicht auf einem einzelnen kleinen Punkt, sondern auf mehreren Salzkörnern, wobei die ganze Fläche zwischen ihnen die Auflagefläche bildet. Daher war es sehr leicht, das Ei auf dem Salz zu stabilisieren – denn die Auflagefläche war groß, und wir konnten den Schwerpunkt des Eis sehr leicht genau darüber platzieren.

Beachte, dass der größte Teil des Salzes gar keine Funktion hatte, und tatsächlich sind, als wir auf das Ei geblasen haben (ganz vorsichtig, um das Ei nicht umzuwerfen!), die meisten Salzkörner davongeflogen. Zurückgeblieben sind nur wenige Körner, die zwischen dem Ei und dem Tisch eingeklemmt sind und, wie gesagt, eine Art von „Beinen“ darstellen, die das Ei stützen und es nicht umkippen lassen.

Das Ei des Kolumbus

Es wird erzählt, dass man für Kolumbus, als er – nach seiner Expedition nach Amerika, bei der er die „Westindischen Inseln“ entdeckte (in Wirklichkeit gehören sie nicht zu Indien, sondern sind die dem amerikanischen Kontinent vorgelagerten Karibischen Inseln) - nach Spanien heimkehrte, ein Gastmahl veranstaltete. Einer der Gäste neckte ihn und sagte, sein Erfolg sei nichts Besonderes – jeder Mensch, der westwärts gesegelt wäre, hätte dieselbe Entdeckung gemacht. 

Als Antwort forderte Kolumbus die Gäste auf, ein Ei auf der Spitze aufzustellen, und natürlich gelang das niemandem. Da drückte Kolumbus die Schale etwas ein, sodass das Ei einfach stehen blieb, und sagte zu den Anwesenden: „Das ist das Leichteste, was es auf der Welt gibt. Jeder kann das machen, nachdem er gesehen hat, wie es geht.“ Das Gleichnis bedeutet: erst nachdem Kolumbus die Idee hatte, ausgerechnet nach Westen zu segeln, um nach Indien zu gelangen, kann das jeder machen. Allgemein gesprochen: in vielen Fällen ist nicht die Ausführung das Wichtigste, sondern der Einfall.

„Das Ei“, ein Denkmal für Christoph Kolumbus in der Hafenstadt Sant Antoni, Ibiza, Spanien | Quelle Wikipedia, Foto: Flups
„Das Ei“, ein Denkmal für Christoph Kolumbus in der Hafenstadt Sant Antoni, Ibiza, Spanien | Quelle Wikipedia, Foto: Flups

Das Verstreuen von Salz auf dem Tisch ist eine andere Lösung für das Rätsel von Kolumbus, und es gibt noch eine Lösung – ohne das Ei zu zerbrechen oder irgendeine Substanz darüberzustreuen. Kannst du herausfinden, was diese zusätzliche Lösung ist?