Wir verschmutzen die Meere mit verschiedenen Substanzen – wie Plastik, Müll und vielem mehr. Jetzt zeigt sich, dass sogar der Lärm, den wir erzeugen, das Leben unter der Meeresoberfläche empfindlich stören kann

Verglichen mit dem unaufhörlichen Krach auf dem Festland erscheint uns das Leben unter Wasser ziemlich ruhig. Denn jedes Mal, wenn wir im Wasser untertauchen, überwältigt uns die Stille, die uns ringsum umgibt. Doch nachdem im letzten Jahrzehnt vermehrte Anstrengungen zur Erforschung der akustischen Meeresverschmutzung unternommen wurden, setzt sich die Erkenntnis durch, dass das Meer viel weniger still ist, als wir dachten.

Es gibt mehrere Arten von Geräuschen im Meer, und man kann sie nach ihrer Quelle einteilen. Eine Art sind die biophonen Geräusche, also die Laute, die Meerestiere zur Verständigung produzieren. Wale, Delfine und andere Meeressäugetiere verwenden Laute, um Informationen über ihre Wanderung, ihre Reproduktion, die Bedrohung durch Räuber und anderes mehr weiterzugeben. Diese Laute legen im Wasser gewaltige Strecken zurück und können sogar den ganzen Ozean durchqueren. Sehr viele Meerestiere bedienen sich biophoner Geräusche, und nicht nur die großen Säugetiere: Im Laufe der Evolution haben Fische, Krebse, Kraken und sogar gewisse kleine Plankton-Arten akustische Verständigungsmittel entwickelt.

Die zweite Art von Geräuschen im Meer sind die anthrophonen Geräusche, also die verschiedenen Geräusche, die durch menschliche Aktivitäten entstehen. Dazu gehören hauptsächlich der Betrieb von Bootsmotoren, Bohrungen und seismische Verfahren zur Erkundung von Erdölfeldern. Die letzte Art sind die geophonen Geräusche, also Geräusche geologischen Ursprungs. Solche Geräusche können etwa von Stürmen oder berstenden Eisbergen verursacht werden. Ähnlich wie die Geräusche menschlichen Ursprungs sind auch die geophonen Geräusche in den letzten Jahren viel dominanter geworden. Der Hauptgrund ist in diesem Fall der Klimawandel.

Jana Winderen nimmt in der Barentssee nördlich von Norwegen und Russland Geräusche auf | Courtesy image
Je mehr Anstrengungen zur Erforschung der akustischen Meeresverschmutzung unternommen werden, desto mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass das Meer viel weniger still ist, als wir dachten. Jana Winderen nimmt in der Barentssee nördlich von Norwegen und Russland Geräusche auf | Courtesy image

Akustische Umweltverschmutzung

Mit der Entwicklung der bioakustischen Forschung, die durch Lebewesen hervorgerufene Geräusche untersucht, berichten Forscher immer mehr von einer bedeutenden Abnahme der biophonen Geräusche in der Meeresumwelt und einer gleichzeitigen Zunahme der anthrophonen und geophonen Geräusche. Diese Zunahme ist sehr besorgniserregend, weil sie anscheinend eine verheerende Auswirkung auf das Gefüge des Meereslebens hat.

Weil Wasser dichter ist als Luft, können die Schallwellen darin längere Strecken mit höherer Geschwindigkeit zurücklegen als in Luft. Daraus ergibt sich, dass die akustische Umweltverschmutzung im Wasser schlimmer ist als auf dem Festland. Ein ungewöhnliches Geräusch kann das Gehör vieler Meeresgeschöpfe schädigen und zudem die biophonen Geräusche überdecken, was weitreichende Auswirkungen auf das Verhalten der Meerestiere und auf die Qualität ihrer Kommunikation haben kann.

Im Rahmen eines Forschungsprojekts in einem Naturschutzgebiet in Alaska versuchten amerikanische Forscher, die Verständigungsreichweiten von heimischen Buckelwalen und Robben bei verschiedenen Niveaus von akustischer Verschmutzung aufzuzeichnen. Eine akustische Verschmutzung des Meers, etwa durch Motorboote, überdeckt die Laute, die Tiere in dem Gebiet von sich geben, und dadurch dürfte die Verständigungsreichweite sinken.

Die Forscher kontrollierten die Geräusche in einer Tiefe von etwa 30 Metern und benutzten mathematische Modelle, um die zu erwartende Beeinträchtigung der Verständigungsreichweite der Meerestiere vorauszusagen. Neben dem Lärm der Motorboote, die das Schutzgebiet durchqueren, identifizierten die Forscher einige Arten von Lauten, die Wale je nach Jahreszeit erzeugten, wie etwa den Walgesang, der hauptsächlich im Winter zu hören ist und vor Allem der Verständigung zum Zwecke der Reproduktion dient.

Die Forschungsergebnisse zeigten, dass bei einer hohen Verkehrsfrequenz von Wasserfahrzeugen in dem Schutzgebiet die Reichweite der Wal- und Robbenlaute abnahm, im Vergleich zu Tagen mit geringem Verkehrsaufkommen oder im Vergleich zu den Nachtstunden. Die Verkürzung der Reichweite kann sich durchaus auf die Überlebensfähigkeit der Tiere auswirken, da die Laute ihnen unter anderem als Warnsignale und für die Reproduktion dienen. Die durch solche Modelle ermöglichte Vorhersage der Einflüsse der akustischen Verschmutzung auf die Verständigungsreichweite der Meerestiere ist ein wesentlicher Schritt zur Verminderung der Wirkung der anthrophonen Geräusche und kann eine wichtige Grundlage für die Bewahrung der Naturschutzgebiete bilden.

Die modernen Stimmen des Ozeans. Jana Winderen hat aus Aufnahmen, die in den Weiten der Weltmeere gesammelt wurden, diese Audiodatei geschaffen, und sie umfasst sowohl den Walgesang als auch Motorenlärm.

Die bioakustische Forschung konzentrierte sich zu Beginn zwar auf große Meeressäugetiere, doch mit den Jahren stellte sich heraus, dass Lärm viele Arten von Meerestieren schädigen kann, sogar die kleinsten. Vor einigen Jahren haben Forscher nachgewiesen, dass Ambon-Demoiselle-Fische (Pomacentrus amboinensis) beim Great Barrier Reef in Australien, die dem Lärm von Motorbooten ausgesetzt sind, leichter ihren Fressfeinden, den Braunen Zwergbarschen (Pseudochromis fuscus), zum Opfer fallen. Wissenschaftler meinen, dass der Lärm die Ambon-Demoiselle-Fische unter Stress setzt und es so den Raubfischen erleichtert, sie zu fangen.

In anderen Situationen kann der Lärm umgekehrt den Räuber schädigen und ihm das Finden von Nahrung erschweren. Auf diese Art können anthrophone Geräusche den Meerestieren schweren Schaden zufügen und den Bestand vieler Arten reduzieren. Eine andere Forschungsarbeit zeigt, dass auch Nesseltiere, wie Quallen und Seeanemonen, Körperzonen haben, mit denen sie Schallwellen empfangen, und daher durch Lärm geschädigt und verändert werden können. Bootsmotoren, die die Geräusche des Riffs überdecken, können auch die Manövrierfähigkeit von Fisch- und Krebstierlarven beeinflussen, die sich mithilfe der natürlichen Geräusche des Riffs im Raum orientieren.

Forscher messen den Geräuschpegel im Versuchsgebiet in Australien | Maud Ferrari
Ambon-Demoiselle-Fische, die Motorenlärm ausgesetzt sind, fallen leichter ihren Fressfeinden zum Opfer. Forscher messen den Geräuschpegel im Versuchsgebiet in Australien | Maud Ferrari

Die stille Welle

Außer den Modellen, die zum Verständnis der Geräuschquellen im Meer beitragen, haben Forscher auf diesem Gebiet eine Reihe von kreativen Lösungen und neuen Technologien zur Verminderung des Unterwasserlärms vorgeschlagen. So werden zum Beispiel Versuche unternommen, zu leiseren Propellern überzugehen, die Geschwindigkeit lauter Boote zu begrenzen und auf Wasserstraßen, die sich mit Wanderwegen von Meerestieren kreuzen, den Verkehr zu regulieren. Zudem könnten Maßnahmen, die den Übergang von herkömmlichen Motorbooten zu leisen Elektrobooten fördern, die akustische Umweltverschmutzung erheblich eindämmen.

Auch das Bewusstsein für den Lärm, der von militärischen Wasserfahrzeugen ausgeht, nimmt jetzt zu. U-Boote benutzen Sonarsysteme – Ortungs-Instrumente, die mit Schallfrequenzen unterhalb des menschlichen Hörbereichs operieren. Doch manche Wal- und Haiarten können diese Frequenzen wahrnehmen. Daher kann ihre Kommunikation durch die Sonar-Geräusche empfindlich beeinträchtigt werden.

Ein Konvoi russischer Militärschiffe | Shutterstock, Tsuguliev
Es werden Versuche unternommen, zu leiseren Propellern überzugehen, die Geschwindigkeit lauter Boote zu begrenzen u. Ä. m. Ein Konvoi russischer Militärschiffe | Shutterstock, Tsuguliev

Die akustische Verschmutzung hat viele Auswirkungen auf die Meeresumwelt, und möglicherweise sind sie uns teilweise noch gar nicht bewusst. Zum Unterschied zu anderen Arten der Verschmutzung, die das Ökosystem des Meeres schädigen, ist der Lärm durch einen großen Teil der internationalen Umweltinitiativen und der Umweltschutzorganisationen in der Welt noch nicht als ernstes Problem erkannt. Deshalb wird nicht genug auf kritische Maßnahmen gedrängt, die den von uns im Meer verursachten Lärm verringern könnten.

Zum Unterschied zu anderen Verschmutzungen, die über lange Zeit im Gelände verbleiben, ist der Lärm ein lokales und momentanes Problem, und durch die Entfernung seiner Ursache wird das Problem fast augenblicklich gelöst. „Der Lärm ist im Meer eines der am leichtesten zu lösenden Probleme. Wir wissen, was ihn auslöst, wo er auftritt und wie er abzustellen ist“, sagte der Meeres-Bioakustik-Forscher Steve Simpson in einem Interview für die New York Times. Um ein gesundes Meeres-Ökosystem zu bewahren, sollten wir nach Möglichkeit Verschmutzungen vermeiden, den Gebrauch von Plastikprodukten reduzieren, für eine effiziente Kontrolle des Fischereiwesens sorgen und das Ableiten von Abwasser ins Meer einschränken – aber auch, was nicht weniger wichtig ist, nicht so laut sein.