Während eines kommerziellen Flugs sind wir relativ intensiver kosmischer Strahlung ausgesetzt. Das braucht die Passagiere nicht zu beunruhigen, aber es ist immer noch nicht klar, ob die Besatzung dadurch gefährdet ist.

Zu jedem Zeitpunkt in unserem Leben sind wir Strahlung ausgesetzt. Das sichtbare Licht zum Beispiel ist Strahlung, die unsere Augen absorbieren und in elektrische Impulse umsetzen können, durch welche unser Gehirn ein Bild von unserer Umwelt zusammenfügt. Die Radiostrahlung erlaubt es uns, über große Distanzen zu kommunizieren, und auch die von einem Ofen abgegebene Wärme ist Strahlung. Manche Strahlungsarten können gesundheitsschädlich sein, und die Furcht vor ihnen ist umso größer, als wir viele von ihnen nicht sehen oder fühlen können.

Die Erdatmosphäre bremst einen Teil der Strahlung, die uns aus dem All erreicht, und daher ist es nicht überraschend, dass die Intensität der natürlichen Strahlung stärker wird, je höher man steigt. Für Astronauten im All und sogar für die Piloten und das Kabinenpersonal bei kommerziellen Flügen ist das keine triviale Angelegenheit.

Strahlung ist das Austreten von Energie aus irgendeiner Quelle, zum Beispiel der Sonne. Diese Strahlung kann sich ausbreiten und manchmal das, worauf sie trifft, beeinflussen. Was die Wirkung auf den menschlichen Körper betrifft, kann man die Strahlungsarten in zwei hauptsächliche Kategorien einteilen: ionisierende und nichtionisierende Strahlung. Ionisierende Strahlung, die unter anderem Röntgenstrahlung, kosmische Strahlung und Kernstrahlung umfasst, ist hochenergetische Strahlung, die Elektronen aus Atomen herausschlagen kann. Hingegen ist die Energie nichtionisierender Strahlung, die unter anderem sichtbares Licht, Wärme und die für die mobile Kommunikation verwendeten Mikrowellen umfasst, schwächer und hat keine Wirkung auf die Struktur von Atomen und Molekülen.

Darstellung von Wellen, die aus Radioantennen austreten | Shutterstock, aldorado
Die Strahlungsarten können in ionisierende und nichtionisierende Strahlung unterteilt werden. Radiowellen sind ein bekanntes Beispiel für nichtionisierende Strahlung. Darstellung von Wellen, die aus Radioantennen austreten | Shutterstock, aldorado

Strahlenbelastung und ihre Folgen

Wenn ionisierende Strahlung die DNA-Moleküle in unseren Zellen trifft, kann sie  Veränderungen (Mutationen) hervorrufen, die manchmal die Zellfunktion beeinträchtigen. In hohen Dosen kann sie auch zu schweren Krankheiten und sogar zum Tod führen. Andererseits hat sie auch viele wunderbare Anwendungen, und man kann sie benutzen, um biologische und chemische Prozesse zu verfolgen, bösartige Tumore zu beseitigen, in der Medizin Röntgen- und CT-Bilder zu erzeugen, in der Landwirtschaft die Bodenfeuchtigkeit zu messen u. a. m.

Der Schaden, der durch die Belastung mit ionisierender Strahlung entstehen kann, ist abhängig von der durch den Körper absorbierten Dosis, die in Sievert (Sv) gemessen wird. Laut Weltgesundheitsorganisation haben epidemiologische Untersuchungen ergeben, dass eine Belastung von mehr als einem Zehntel Sievert (100 mSv) die Gefahr erhöht, im Laufe des Lebens an Krebs zu erkranken. Eine konzentrierte Belastung von einem Sievert (1 Sv) oder mehr wird eine scharfe körperliche Reaktion auslösen, die Strahlenkrankheit genannt wird.

Sehr wichtig ist die Dauer der Belastung des Körpers durch Strahlung. Eine längere Belastung durch schwache und konstante Strahlung ist weniger schädlich als eine plötzliche Belastung durch starke Strahlung, auch wenn insgesamt die gleiche Dosis absorbiert wird. Die Erklärung dafür ist, dass der Körper im ersten Fall mehr Zeit hat, die Schäden am genetischen Material zu reparieren.

Der menschliche Körper kann mit leichten Strahlungsschäden fertig werden, weil sie ihm nicht fremd sind. Energiestrahlung aus dem All (kosmische Strahlung) durchdringt ständig die Atmosphäre und erreicht die Erde. Diese Strahlung entsteht durch Explosionen auf der Sonne oder durch Supernovae – die Explosionen von fernen Sternen. Von der Sonne erreichen uns vor allem Protonen, die zu den Teilchen gehören, aus denen die Atome des Universums zusammengesetzt sind. Aus den Tiefen des Alls erreicht uns auch Strahlung durch schwerere Teilchen, eine Kombination von mehreren Protonen und Neutronen. 

Laut der Nuclear Regulatory Commission in den USA (NRC) haben rund fünf Prozent der Strahlung, der ein Mensch während eines Jahres ausgesetzt ist, ihren Ursprung in der kosmischen Strahlung. Andere und bedeutendere Faktoren sind natürliche radioaktive Elemente, wie etwa das Gas Radon, das von der Erde und von vielen Baumaterialien freigesetzt wird, und medizinische Prozeduren wie Röntgenaufnahmen.

Wegen des Fehlens einer schützenden Atmosphäre absorbieren Astronauten während ihres Aufenthalts im All außergewöhnlich große Dosen von kosmischer Strahlung. Diese Strahlung kann die Gefahr, dass bei ihnen Krebs oder degenerative Erkrankungen auftreten, erheblich vergrößern. Dieser Umstand erschwert Missionen zu weit entfernten Planeten, weil die Astronauten über lange Zeit intensiver Strahlung ausgesetzt wären.

Ein Flugzeug am Himmel vor dem Hintergrund der Sonne | Shutterstock, bez_bretelky
Bei kommerziellen Flügen ist die Atmosphärenschicht, die die Passagiere vor der kosmischen Strahlung schützt, dünner als auf der Erdoberfläche. Ein Flugzeug am Himmel vor dem Hintergrund der Sonne | Shutterstock, bez_bretelky

Was geschieht in den Flugzeugen?

Kommerzielle Flugzeuge fliegen in einer Höhe von rund zehn Kilometern über der Erde, sodass die Atmosphärenschicht, die die Passagiere vor der kosmischen Strahlung schützt, dünner als auf der Erdoberfläche ist. Die Strahlungsmenge, die die Passagiere und die Besatzungsmitglieder aufnehmen werden, hängt von der Flughöhe, der Distanz zu den Polen und natürlich von der Flugdauer ab. Die Distanz zu den Polen ist deswegen wichtig, weil das Magnetfeld der Erde die Strahlung in Richtung Nordpol und Südpol ablenkt.

Eine Untersuchung aus dem Jahr 2009 zeigt, dass Flugzeugbesatzungen größerer Strahlenbelastung ausgesetzt sind als alle anderen Gruppen in den USA, deren Berufe mit Strahlenbelastung verbunden sind: durchschnittlich 3,07 Millisievert pro Jahr. Untersuchungen, die den Einfluss dieser Belastung auf die Gesundheit der Flugzeugbesatzungen geprüft haben, lieferten keine eindeutigen Ergebnisse. In einem Artikel aus dem Jahr 2015 trugen die Autoren die Forschungsergebnisse auf dem Gebiet seit 1990 zusammen. Ein Teil von ihnen ergab tatsächlich Hinweise darauf, dass bei Flugzeugbesatzungen die Wahrscheinlichkeit, an gewissen Krebsarten zu erkranken, erhöht ist. Doch die Forscher betonten, es könne nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass der Grund dafür die kosmische Strahlung sei, weil vielleicht andere Faktoren im Lebensstil der Flugzeugbesatzungen sie anderen Krebserregern aussetzen – etwa dem Zigarettenrauch der Passagiere zu der Zeit, als das Rauchen im Flugzeug noch erlaubt war.

Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass laut Schätzungen die Intensität der Strahlung, der die Passagiere während eines einzelnen kommerziellen Flugs ausgesetzt sind, geringer ist als jene bei einer Röntgenaufnahme des Brustkorbs und nicht als nennenswertes Gesundheitsrisiko gilt. Wenn nach der Coronakrise der internationale Flugverkehr wieder im gewohnten Umfang aufgenommen wird, werden wir uns also in aller Seelenruhe auf den Sitzen räkeln können, in der Gewissheit, dass es auf dem Weg nach London oder in die Karibik keinen Grund gibt, sich vor der kosmischen Strahlung zu fürchten. Schönen Urlaub!