Fast jede zehnte Mutter leidet an einer Wochenbettdepression. Wie wird das Phänomen erkannt, wodurch wird es verursacht und wie können Mutter und Kind geholfen werden?

Die Wochenbettdepression (postpartale Depression) ist eine der häufigsten Komplikationen bei der Geburt beim Menschen und betrifft 6,5-13 Prozent der Mütter. Sie tritt in den ersten Monaten nach der Geburt auf und ist gekennzeichnet durch eine Phase der Depression mit extremer Stimmungsverschlechterung, Schlafstörungen, Angstzuständen, Nervosität, Appetitlosigkeit und mehr. In schweren Fällen treten Selbstmordgedanken auf, ebenso wie die Angst, dem Baby schaden zu können. Dieser Zustand beeinträchtigt die Funktionsfähigkeit der Mutter erheblich.

Es ist wichtig, zwischen postpartaler Depression und postpartalem Stimmungstief oder Traurigkeit (Baby Blues) zu unterscheiden. Der Baby Blues ist ein häufiges Phänomen, das bei 50-70% der Frauen kurz nach der Geburt auftritt und normalerweise zwei bis drei Tage anhält. Depression hingegen ist ein langwieriges Phänomen und viel schwieriger zu behandeln.

Postpartale Depressionen verschwinden normalerweise spontan einige Wochen nach ihrem Auftreten. Allerdings zeigt eine Untersuchung von mehr als zwanzig Artikeln zu diesem Thema, dass bei 20% der Erkrankten die Depression auch ein Jahr nach der Geburt anhielt und bei 13% zwei Jahre oder mehr andauerte. Ungefähr 40% der Frauen, die an einer Wochenbettdepression litten, erlebten nach weiteren Geburten, oder auch unabhängig von einer Schwangerschaft, wiederkehrende Depressionen.

Vier Arten von Wochenbettdepression

Viele von uns sagen oft „Ich bin depressiv“ oder „Wie deprimierend!“ als Reaktion auf jedes leichte Stimmungstief. Klinisch gesehen ist Depression jedoch eine schwere Erkrankung, die die Lebensqualität und das Funktionieren der Betroffenen tiefgreifend und dauerhaft beeinträchtigen kann. Mit unterschiedlicher Intensität, von leichten bis hin zu schweren Depressionen, kann sie von Verzweiflung und Selbstmord begleitet werden.

Baby und Mutter mit Wochenbettdepression | Foto: Pixel-Shot, Shutterstock
Die postpartale Depression ist eine der häufigsten Geburtskomplikationen beim Menschen. Baby und Mutter mit Wochenbettdepression | Foto: Pixel-Shot, Shutterstock

Eine depressive Person kann sich traurig oder schlecht gelaunt fühlen, die Lust an Aktivitäten verlieren, die ihr in der Vergangenheit Spaß gemacht haben, an anhaltender Müdigkeit, Energiemangel und Selbstwertverlust leiden. Andere Symptome können Veränderungen des Appetits, Schlaflosigkeit oder Schlafstörungen, Ruhelosigkeit, Langsamkeit, Konzentrations- und Denkstörungen, Todes- oder Selbstmordgedanken sein. Um eine klinische Depression zu diagnostizieren, müssen mindestens einige dieser Symptome zwei Wochen oder länger in einem Ausmaß auftreten, das die Funktionsfähigkeit oder Lebensqualität der Person erheblich beeinträchtigt. Eine vorübergehende Reaktion auf ein schwieriges Lebensereignis – zum Beispiel der Tod eines geliebten Menschen – wird nicht als klinische Depression angesehen.

Eine Studie, die etwa 5000 Mütter in den Vereinigten Staaten drei Jahre nach der Geburt untersuchte, identifizierte vier verschiedene Entwicklungsmuster einer postpartalen Depression. Etwa 75% der Frauen mit Wochenbettdepression litten an relativ leichten Symptomen, die kurz nach der Entbindung begannen und lange anhielten. Etwa 8% begannen mit einer geringen depressiven Symptomatik, die im Laufe der Zeit zunahm. Etwa 12% der Mütter begannen mit mäßigen depressiven Symptomen und ihr Zustand verbesserte sich allmählich. Die restlichen 5% litten unmittelbar nach der Geburt an einer schweren Depression, erholten sich etwas, aber litten weiter unter vielen Symptomen.

Die Forscher fanden heraus, dass die Zugehörigkeit zu einigen der Gruppen mit zusätzlichen Kriterien zusammenhängt. Zum Beispiel waren Mütter der vierten Gruppe, die an einer tiefen und anhaltenden Depression litten, eher jung, ohne akademische Ausbildung; einige waren alleinerziehend. In der gleichen Gruppe befanden sich auch nicht weiße Frauen und mehr Mütter von kinderreichen Familien, von denen viele an Schwangerschaftsdiabetes, Frühgeburten oder früheren Depressionen litten.

Solche Charakterisierungen können helfen, Risikogruppen für eine postpartale Depression zu identifizieren. So können sie bereits in den frühen Stadien der Depression psychologische oder pharmakologische Unterstützung erhalten und manchmal kann der Depression sogar vorgebeugt werden. Die Studie zeigte auch, dass depressive Symptome bis drei Jahre nach der Geburt anhalten können.

Neben dem offensichtlichen psychischen Leiden der Mutter kann eine Wochenbettdepression auch die Bindung der Mutter an das Baby beeinträchtigen und seine Entwicklung beeinflussen. Studien zeigen, dass sich Mütter mit Wochenbettdepressionen dem Baby gegenüber negativer verhalten, es weniger berühren und ihm weniger Zuneigung entgegenbringen. Außerdem haben sie weniger verbale und nonverbale Interaktionen mit ihm.

Das unterschiedliche Verhalten gegenüber dem Baby kann bei ihm zu emotionalen und mentalen Problemen führen sowie Verhaltensstörungen hervorrufen. Zudem können die Entwicklung von Sprache und anderen geistigen Fähigkeiten verzögert werden. Jungen von Müttern mit Wochenbettdepression haben ein höheres Risiko, antisoziales Verhalten zu entwickeln als Mädchen und zeigen Verzögerungen in der geistigen und motorischen Entwicklung. In sehr seltenen Fällen kann eine Wochenbettdepression sogar dazu führen, dass die Mutter Selbstmord begeht oder das Baby tötet.

Frau von negativen Gedanken überwältigt  |  Illustration: Vasilisa Tsoy, Shutterstock
Die Symptome einer Depression können auch noch drei Jahre nach der Geburt anhalten. Frau von negativen Gedanken überwältigt | Illustration: Vasilisa Tsoy, Shutterstock

Wie kommt es zur Depression?

Der wichtigste Risikofaktor für eine postpartale Depression ist eine Vorgeschichte mit extremen Stimmungsschwankungen oder Angstzuständen, ganz besonders Depressionen und Angstzustände, die während der Schwangerschaft selbst nicht behandelt wurden. Eine postpartale Depression kann auch erblich veranlagt sein. Zusätzlich besteht ein Zusammenhang mit sozialen Faktoren, wie Mangel an angemessener sozialer Unterstützung, eine instabile Ehe oder häusliche Gewalt, frühere Misshandlungen und negative Lebensereignisse.

Die biologischen Mechanismen der postpartalen Depression sind nicht ganz klar. Es gibt jedoch Hypothesen, die versuchen, das Phänomen hormonell zu erklären. Während der Schwangerschaft durchläuft der weibliche Körper viele Veränderungen, damit sich der Fötus entwickeln kann, einschließlich des Fortpflanzungs- und Immunsystems. Unter anderem gibt es große Veränderungen des Hormonspiegels im Körper. Cortisol, auch als „Stresshormon“ bekannt, ist beispielsweise in der späten Schwangerschaft dreimal höher als normal.

Die HPA-Achse (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse), die für unsere Reaktion auf Stressereignisse verantwortlich ist, verändert sich ebenfalls während der Schwangerschaft und hat auch während der Stillzeit eine Unterfunktion. Darüber hinaus kommt es zu Veränderungen im Zentralnervensystem und der Konzentration von Neurotransmittern – den Molekülen, die für die Kommunikation zwischen Nervenzellen verantwortlich sind. Zum Beispiel kommt es nach der Geburt zu einer Abnahme des Neurotransmitters Serotonin, das die Stimmung beeinflusst. Diese und viele andere Veränderungen können zur Entwicklung einer postpartalen Depression beitragen.

Wie wird sie behandelt?

Es gibt mehrere Ansätze zur Behandlung einer postpartalen Depression, die psychologische, pharmakologische oder eine Kombination aus beiden umfasst. Die Wahl der am besten geeigneten Behandlungsform hängt von der Schwere der Symptome und den Auswirkungen der Depression auf die Funktionsfähigkeit der Mutter ab.

Eine weinende Mutter beim Psychologen | Abbildung: StockSmartStart, Shutterstock
Die Behandlung einer postpartalen Depression kann psychologische, pharmakologische oder eine Kombination aus beiden umfassen. Eine weinende Mutter beim Psychologen | Abbildung: StockSmartStart, Shutterstock

In milden Situationen genügt es, der Mutter ein Gefühl der Unterstützung zu geben – zum Beispiel durch Angehörige oder Betreuung bei Routinebesuchen des Hausarztes, Pflegekräften und anderen medizinischen Einrichtungen. Frauen, deren Zustand mäßig ist oder die auf Interventionen ihrer Umwelt nicht ansprechen, werden normalerweise zu einer professionellen psychologischen Behandlung überwiesen, die sich auf Schwierigkeiten der Mutterschaft konzentriert.

Wenn diese Ansätze nicht funktionieren oder sich die Mutter in einer sehr schwierigen Situationen befindet, wird ihr empfohlen, psychiatrische Hilfe in Anspruch zu nehmen, die auch die Einnahme von Antidepressiva beinhaltet. In sehr schweren Fällen, wenn eine regelmäßige Behandlung nicht hilfreich ist oder ernsthafte Bedenken bestehen, dass die Mutter Selbstmord begehen könnte, kann sogar eine psychiatrische Einweisung ins Krankenhaus und eine Elektrokrampftherapie in Betracht gezogen werden – mit einem kontrollierten Elektroschock für das Gehirn.

Derzeit gibt es keine präventive Behandlung der postpartalen Depression, deren Wirksamkeit wissenschaftlich bewiesen ist. Ernährungsumstellungen, Schulungsprogramme und frühe pharmakologische oder psychologische Behandlungen können bei der Vorbeugung der Störung hilfreich sein. Jedoch hat eine Untersuchung von 37 Studien ergeben, dass es nicht genügend Ergebnisse gibt, um die effektivste Behandlung festzustellen - falls es eine solche überhaupt gibt.

Nicht nur Mütter

Überraschenderweise stellt sich gerade im Hinblick auf die hormonellen Aspekte der Erkrankung heraus, dass auch Väter nicht gegen eine Wochenbettdepression immun sind. Eine Untersuchung von 43 Studien, an denen insgesamt etwa 28.000 Väter teilnahmen, ergab, dass etwa ein Zehntel von ihnen an einer postpartalen Depression litt. In ihrem Fall erreichen die Symptome meist ihren Höhepunkt, wenn das Baby 3-6 Monate alt ist.

Darüber hinaus wurde festgestellt, dass ein gewisser Zusammenhang zwischen Wochenbettdepressionen von Müttern und Vätern besteht, aber es ist unklar, ob der Zusammenhang kausal ist. Postpartale Depressionen bei Vätern können auch die Entwicklung des Babys beeinträchtigen, weshalb es wichtig ist, das Phänomen rechtzeitig zu diagnostizieren. Darüber hinaus kann der Zusammenhang zwischen postpartalen Depressionen bei Müttern und Vätern darauf hinweisen, dass eine Paartherapie erforderlich ist.

Die Wochenbettdepression ist ein häufiges Phänomen, das die Gesundheit der Eltern, die Entwicklung des Babys und das allgemeine Funktionieren der Familie beeinträchtigen kann. Es gibt eine Vielzahl von Behandlungen, die bei der Bewältigung helfen können. Es ist wichtig, die Symptome der Störung und ihre Folgen zu kennen, um rechtzeitig Hilfe zu suchen, da eine frühzeitige Intervention dem Baby und seinen Eltern viele Schwierigkeiten ersparen kann.