85 Jahre seit dem Tod von Emmy Noether, einer der bedeutendsten Mathematiker des 20. Jahrhunderts - trotz Frauendiskriminierung und Judenverfolgung.
„Unter allen bis heute lebenden talentierten und fähigen Mathematiker war Fräulein Noether äußerst kreativ und das bedeutendste mathematische Genie seit der Einführung der höheren Bildung für Frauen.“ Mit diesen Worten würdigte der große Physiker Albert Einstein die 1935 verstorbene Mathematikerin Emmy Noether. Einsteins Nachruf schlossen sich viele Mathematiker und Physiker an, die Emmy Noether als bedeutendste Frau in der Geschichte der Mathematik ansahen.
Eine freie Studentin
Amalie Emmy Noether wurde am 23. März 1882 in Erlangen in Deutschland in eine traditionelle jüdische Familie geboren. Ihr Vater, Max Noether, war Professor für Mathematik an der örtlichen Universität und auch der mittlere ihrer drei jüngeren Brüder wurde später Mathematiker.
In der Schule war Noether nicht als besonders hervorragende Schülerin bekannt. Ihre Freunde und Lehrer beschrieben sie als kluges, freundliches und freundschaftliches Mädchen mit Brille. Als sie in der Oberstufe war, begann sie ihren zweiten Vornamen Emmy zu verwenden und unter diesem Namen war sie allen bekannt. In der Oberstufe glänzte sie in den Fächern Englisch und Französisch, und beschloss, Französischlehrerin zu werden. Sie lernte auch das Klavierspielen und liebte es sehr auf Festen zu tanzen.
Im Jahr 1897 vollendete sie die Oberstufe und führte ihre Studien auf der Route fort, die sie für sich selbst vorgesehen hatte. Im Jahr 1900 schloss sie das Lehramtsstudium zur Französisch- und Englischlehrerin für Mädchen des Landes Bayern mit der Note „sehr gut“ ab.
Noether schloss zwar das Studium mit Bravour ab, wurde aber niemals Lehrerin. Schon während des Studiums entschied sie sich, die Richtung zu wechseln und Mathematik zu studieren. Damals war es Frauen jedoch untersagt, Vollzeit an einer Universität zu studieren. Von daher war es ihr nur möglich, an Kursen als Gasthörerin teilzunehmen, die ohne Test oder eine Note abgeschlossen wurden. Auch für diese Kurse wurde eine Erlaubnis des Professors benötigt. Allerdings hatte Noether keine Probleme mit den Kollegen ihres Vaters, und viele erlaubten ihr sogar am Ende des Kurses getestet zu werden und eine Note zu erhalten.
In den folgenden Jahren nahm Noether an vielen Kursen der Mathematik und anderen Kursen wie den Klassischen Studien der Universität Erlangen teil und war eine von zwei Frauen unter 984 männlichen Studenten. Im Jahr 1903 bestand sie erfolgreich die Aufnahmeprüfung an der Universität, obwohl es für Frauen immer noch verboten war, an der Universität zu studieren. Nach der Prüfung studierte sie ein Semester an der Universität Göttingen, die in der ganzen Welt für die ausgezeichneten Studien in Mathematik und Physik bekannt war. Als Gasthörerin nahm sie an Kursen von einigen damals sehr bekannten Wissenschaftlern teil, darunter dem Physiker Karl Schwarzschild und dem Mathematiker David Hilbert.
Mathematik im Volontariat
Nach ihrem Abschluss kehrte sie nach Erlangen zurück, und dann änderte sich ihr Glück: Deutschland änderte das Gesetz und entschied, dass Frauen an der Universität studieren dürften. Noether stürzte sich auf die Studien und konzentrierte sich von nun an nur auf Mathematik. Ihre früheren Studien wurden anerkannt und sie promovierte 1907 mit Auszeichnung unter der Leitung von Paul Gordan.
In ihrer Doktorarbeit beschäftigte sie sich mit Invarianten Polynomen, einem Zweig der Algebra, der sich mit Operationen an mathematischen Gruppen oder algebraischen Varietäten befasst. Hilbert definierte die grundlegenden Merkmale dieser Polynome bereits Ende des 19. Jahrhunderts, aber Noether entwickelte effizientere und praktischere Methoden zur Lösung von Problemen, für die Hilbert eine theoretische Lösung fand. Obwohl ihre Promotion weithin anerkannt war, definierte sie sie später als „Müll“.
Nach Abschluss der Promotion wäre die natürliche Fortführung eine akademische Position gewesen, aber auch mit Promotion war sie immer noch eine Frau und daher war eine solche Position für sie in Erlangen nicht möglich. Genauer gesagt, ein Job war möglich, aber ohne Bezahlung oder offizielle Anerkennung ihrer Arbeit. Tatsächlich gab Noether Kurse an der Universität, wurde aber offiziell als „Lehrassistentin“ beschäftigt. Sie betreute sogar Forschungsstudenten, da ihr offizieller Vorgesetzter ihr Vater war, musste dies allerdings freiwillig tun. Trotz alledem blieb sie in Erlangen, um ihrem Vater, dessen Gesundheit schlecht war, zu helfen.
Neben Lehre und Anleitung der Studenten setzte Noether ihre Forschungsarbeit fort. Sie wurde stark von Ernst Fischer, Gordons Nachfolger, der in den Ruhestand gegangen war, beeinflusst. Später schrieb sie, dass Fischers Entscheidung, sie dazu zu ermutigen, sich mit abstrakter Algebra aus arithmetischer Sicht zu beschäftigen, all ihre zukünftigen Arbeiten prägte. Sie fuhr fort, Forschungsarbeiten zu veröffentlichen. Ihr Name eilte ihr im Mathematikerkreisen voraus und sie wurde zu Vorträgen und Konferenzen in ganz Europa eingeladen.
Beweis von großer Bedeutung in der Physik. Die Überschrift beinhaltet das Noether-Theorem, das Erhaltungssätze mit der Symmetrie physikalischer Systeme verknüpft.
Relation und Relativitätstheorie
Im Jahr 1915 wurde Noether vom Physiker Hilbert Klein und dem berühmten Mathematiker Felix Klein dazu eingeladen, in Göttingen zu arbeiten. Hilbert begann sich zu dieser Zeit, mit den mathematischen Aspekten Einsteins Relativitätstheorie zu beschäftigen und brauchte unbedingt einen Experten auf dem Gebiet der Invarianten. Diese Gelegenheit, mit den besten Mathematikern Probleme der Spitzenwissenschaft zu lösen, konnte Noether sich nicht entgehen lassen.
Fast unmittelbar nach ihrer Ankunft in Göttingen konnte Noether zwei wichtige Probleme lösen, mit denen sich Hilbert auseinandersetzte. Eines davon hatte mit den Riemannschen Flächen zu tun, womit mehrdimensionale Strukturen mathematisch beschrieben werden können und die ein wichtiges Werkzeug der bahnbrechenden Theorien Einsteins waren. Das zweite Problem betraf den Energieerhaltungssatz im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie. Ihre Lösung zu diesem Problem entschlüsselte die Verbindung zwischen der Symmetrie von physikalischen Systemen und den entsprechenden Erhaltungsgesetzen. In anderen Worten, Noether fand die mathematische Erklärung für die Erhaltungssätze, wie den Energie-, den Impuls- oder den Ladungserhaltungssatz, die von großer physikalischer Bedeutung sind, sowohl in der theoretischen Physik als auch bei vielen praktischen Anwendungen, wie bei der Fahrzeugtechnik oder der Berechnung der Flugbahnen von Himmelskörpern. Der Beweis, der 1918 veröffentlicht wurde, ist heute als „Noether-Theorem“ bekannt und etablierte Noether als eine der bedeutendsten Mathematiker ihrer Zeit.
Der enorme Erfolg spiegelte sich wider wirtschaftlich noch in besseren Arbeitsbedingungen wider. Ähnlich wie in Erlangen, wurde sie als Lehrassistentin von Hilbert angestellt und unterrichtete seine Kurse ohne Bezahlung. Noether lebte in Armut und die Tatsache, dass dieser Tage Krieg herrschte, trug nicht zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage bei. Die Armut zwang sie offensichtlich dazu, sozialistische Positionen einzunehmen und obwohl sie diese mehr als einmal ausdrückte, beteiligte sie sich nie an organisierten politischen Aktionen. Außerdem war Noether ihr ganzes Leben lang Pazifistin und widersetzte sich dem Krieg.
Trotz vieler Bemühungen scheiterten Hilbert und Klein, Noether einen Job zu verschaffen, und auch ihr Antrag beim Ministerium für Bildung blieb erfolglos. Einer der Forscher fragte, was denn die Soldaten denken würden, wenn diese von der Front zurückkehren und von Frauen unterrichtet würden. Darauf antwortete Hilbert, dass er nicht verstünde, was das Geschlecht damit zu tun hätte: „Eine Fakultät ist doch keine Badeanstalt!“.
Ironischerweise war es ausgerechnet der Krieg, gegen den sich Noether ausgesprochen hatte, der die Situation änderte. Nach der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg änderten sich viele Gesetze in Deutschland, unter anderem das Verbot, Frauen an Universitäten anzustellen. Im Jahr 1919 erhielt Noether eine externe Dozentenstelle ohne Festanstellung oder Sozialleistungen, aber wenigstens konnte sie in ihrem Namen Kurse geben und Forschungsstudenten anleiten.
Gewann große wissenschaftliche Anerkennung, aber keinen finanziellen Wohlstand. Noether. Quelle: Bar-Ilan Universität
Ringtheorie und Kollaborationen
In den folgenden Jahren beschäftigte sich Noether mit abstrakter Algebra und war Mitgründerin dieses Fachgebiets. Sie führte neue Entwicklungen in der Ringtheorie, die Kombinationen aus Zahlenbereichen und bestimmten Operationen definiert. Noether war für einige Durchbrüche auf diesem Gebiet verantwortlich und fand eine allgemeingültige Definition für die nach ihr benannten “Noetherschen Ringe”.
Der holländische Mathematiker Bartel van der Waerden war 1924 zur Fortbildung bei Noether und publizierte danach sein einflussreiches Buch, „Moderne Algebra“, aus denen umfangreiche Teile auf der Arbeit von Noether basieren. Diese Geschichte zeigt eine weitere Facette Noethers. Noether kollaborierte vielfach mit anderen Mathematikern und überließ ihnen die Anerkennung für die Arbeit, die sie gemacht hatte. Das galt oft auch für die Studenten, die sie anleitete.
Viele Kollegen, die ihren Einfluss auf die Mathematik beschrieben, sprachen nicht nur über die vielen Artikel, die sie selbst veröffentlicht hatte, sondern auch über die fruchtbare Zusammenarbeit, die Inspiration und Hilfe, die sie ihren Partnern gab.
Ende der 20er bis Anfang der 30er Jahre zählte Noether zu einer der bedeutendsten Mathematiker der Welt. Sie wurde auf wichtige Kongresse in Europa eingeladen und lehrte sogar für ein Semester an der Universität Moskau – offensichtlich hatten ihre sozialistischen Tendenzen hierbei nicht geschadet. Im Jahr 1932 erhielt sie den Ackermann-Teubner Gedächtnispreis der Universität Leipzig, der an bedeutende Mathematiker verliehen wurde.
Das Ende der Mathematikära in Göttingen. Der Entlassungsbrief von Noether aus dem Jahr 1933. Quelle: Israelische Nationalbibliothek
Die Größte aller Zeiten
Im Jahr 1933 kamen die Nazis in Deutschland an die Macht und alle mathematischen Errungenschaften Noethers waren für sie wertlos, weil sie jüdisch war. Innerhalb kürzester Zeit trat das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ in Kraft, das befahl, alle jüdischen Mitarbeiter aus den öffentlichen Ämtern zu entlassen und so erhielt auch die Universität Göttingen die Anweisung, Noethers Anstellung zu beenden. Die Entlassung der jüdischen Mathematiker hatte die Universität Göttingen schwer getroffen. Im Jahr 1934 traf sich der Kultusminister der Nazis mit Hilbert, der gegen die Entlassung der jüdischen Mitarbeiter war und fragte ihn, wie es der Mathematikabteilung nach der Befreiung aus dem Joch der Juden ginge. Hilbert erwiderte lediglich, dass es in Göttingen keine Mathematik mehr gäbe.
Nach ihrer Entlassung aus der Universität Göttingen überquerte Noether den Atlantik. Albert Einstein, der schon in Amerika war und ihre Arbeiten kannte, bot ihr eine Stelle am Bryn Mawr College, einem renommierten College für Frauen in Pennsylvania, an. Zum ersten Mal in ihrem Leben erhielt sie nicht nur wissenschaftliche Anerkennung, sondern auch ein angemessenes Gehalt und gute Arbeitsbedingungen. Im Jahr 1934 hielt sie außerdem eine Reihe von Vorlesungen am „Institute for Advanced Study“ in Princeton, einem der weltweit wichtigsten Zentren für Mathematik und theoretische Physik.
Allerdings war ihr neuer Weg nicht lang. Im April 1935, nach nur anderthalb Jahren in Amerika, wurde ein Tumor im Oberschenkelhals von Noether entdeckt. Sie wurde operiert und in den ersten Tagen schien sie sich gut zu erholen, dann entwickelte sie allerdings hohes Fieber und starb am 14. April, kurz nach ihrem 53. Geburtstag.
Die Lobreden auf Noether ließen keinen Zweifel an ihrer Größe. Van der Waerden schrieb, dass ihre Originalität in der Mathematik „unvergleichlich“ sei, und der Mathematiker Hermann Weyl fügte hinzu: „Die Algebra hat ein anderes Gesicht bekommen durch dein Werk“. Ein anderer Mathematiker, Norbert Wiener, schrieb einige Wochen vor ihrem Tod, dass Noether „die größte Mathematikerin aller Zeiten und die größte heute lebende Wissenschaftlerin sei und mindestens auf dem gleichen Niveau wie Madame Curie stehe“.
Noethers sterbliche Überreste wurden eingeäschert und die Urne wurde unter dem Kreuzgang der Universitätsbibliothek des Bryn Mawr Colleges begraben, an dem sie Zuflucht vor der Verfolgung durch die Nazis gefunden hatte.
Eine Straße in ihrer Heimatstadt, Schulen und mehrere akademische Abteilungen wurden nach ihr benannt. Ebenso sind ein Krater auf dem Mond und ein Asteroid in Erinnerung an ihren großen Beitrag in der Physik wurden nach ihr benannt.