Generationen von Alchimisten versuchten, Gold aus billigeren Metallen herzustellen. Die moderne Wissenschaft hat gezeigt, dass nur eine Explosion eines Sternes oder wenigstens einen Teilchenbeschleuniger dazu benötigt wird.
In der griechischen Mythologie gibt es eine Geschichte über den König Midas, der alles, was er berührte, in Gold verwandelte. „Midas touch“ wurde ein Ausdruck in Englisch, der eine besondere Fähigkeit bezeichnet, aus jedem abenteuerlichen Geschäft Geld zu verdienen. Und die Geschichte über den König Midas ist ein Hinweis darauf, wie alt die Besessenheit auf dieses besondere Metall ist. Gold dient seit Tausenden von Jahren als Symbol für Wohlstand, als Grundlage für die Weltwirtschaft und den Handel und weckte auch die Gier und die Neugier von Wissenschaftlern und Intellektuellen, die während Jahrhunderten versuchten, den „Midas touch“ Wirklichkeit werden zu lassen und anderes Material, das als minderwertig gilt, zu Gold zu machen. Diese Versuche, die in den Bereich der Alchimie gehören, scheiterten bisher. Aber vielleicht können das Wissen und die Technologie, die heute existieren, diesen alten Traum erfüllen?
Der „Midas touch“ wurde zu einem Ausdruck für wirtschaftlichen Erfolg. Midas und seine Tochter in einer Zeichnung von Nathaniel Hawthorne, 1893. Quelle: Wikipedia.
Aus „kranken“ Metallen wird Gold
Die Alchimie ist ein vorwissenschaftlicher Forschungsbereich, der bis ins Mittelalter verbreitet war und sich mit der Natur der Materialien und den Reaktionen zwischen ihnen befasste. Die Alchimie nahm auch philosophische Gedanken auf, wie das aristotelische Konzept, wonach jedes Material in der Natur nach Perfektion strebt, und das perfekteste Material, in den Augen der Alchimisten, war das Gold. Gold hat nicht nur eine besondere Farbe, sondern ist auch außergewöhnlich beständig gegenüber anderen Materialien und der Umwelt, und es ist leicht zu schweißen und zu formen. Alchimisten dachten, ähnlich wie Aristoteles, dass andere Metalle wie Blei und Eisen minderwertig, ja „krank“ seien. Sie glaubten, es sei möglich, sie zu „heilen“ und in einem „Transmutation“ genannten Prozess zum begehrten Gold umzuwandeln.
Die Experimente der Alchimisten basierten auf der Auffassung, dass jedes Material in der Natur eine Zusammensetzung der vier Grundelemente Luft, Wasser, Feuer und Erde sei und eine Manipulation dieser Elemente neues Material erzeugen könne. In den arabischen Ländern war sogar die Theorie verbreitet, dass jedes Metall eine unterschiedliche Zusammensetzung von Schwefel, Quecksilber und Salz sei. Bei den verschiedenen Versuchen, Gold nach diesen Vorstellungen herzustellen, gelang es jedoch nur, Material zu erzeugen, das zwar in Form und Farbe Gold ähnelte, aber kein Gold war.
Der „heilige Gral“ der Alchimisten war eine legendäre Substanz namens „der Stein der Weisen“, der jede Substanz in Gold verwandeln könne. Aber der Stein der Weisen wurde nie gefunden, und alle Anstrengungen der Alchimisten, Gold zu produzieren, waren erfolglos. Viel später war es schon klar, dass die Alchimie grundlegend falsche Auffassungen hatte, und sie machte der Wissenschaft der Chemie Platz.
Erstaunlich - die Alchimisten fanden den Stein nicht, der Gold erzeugen kann. Der Stein der Weisen. Illustration: Shutterstock
Addition und Subtraktion von Protonen
Mit der Entwicklung der Wissenschaft verstanden die Wissenschaftler, dass alle Materialien in der Natur aus Bausteinen bestehen, die Atome genannt wurden, und dass die Atome von drei hauptsächlichen Elementen bestehen: Protonen und Neutronen im Atomkern, und Elektronen, die sich um den Kern bewegen. Die chemischen Elemente werden durch die Anzahl der Protonen in ihrem Atomkern definiert. Das ist die Ordnungszahl, die über dem Symbol jedes Elementes im Periodensystem steht. Zum Beispiel ist jedes Atom, dessen Kern ein einzelnes Proton enthält, ein Wasserstoffatom, und ein Atom mit einem Kern von 79 Protonen ist ein Goldatom. Diese Informationen hatten die Alchimisten nicht, aber heute können wir daraus schließen, dass Transmutation tatsächlich möglich ist, und dass wir andere Elemente erhalten, wenn wir dem Atomkern Protonen hinzufügen oder entfernen.
Sie haben den Aufbau des Atoms nicht gekannt. Ein Alchimist und seine Helfer bei der Arbeit. Gemälde von Joseph Wright aus dem 18. Jahrhundert. Quelle: Wikipedia
Der Schmelztiegel des Periodensystems
Kernfusion erfordert enorme Mengen an Energie. Energie in solchen Mengen befindet sich, zum Beispiel, im Herzen von Sternen. In solchen Bereichen finden Transmutationen ständig statt. Leichte Elemente wie Wasserstoff und Helium werden zu schwereren Elementen zusammengeschmolzen, normalerweise bis zu Eisen, dessen Ordnungszahl 26 ist. Die Bildung schwererer Elemente als Eisen erfordert noch mehr Energie, die nur in seltenen Fällen, genannt Supernova, dem „Tod“ eines Sterns, freigesetzt werden, ein Ereignis, das von Explosion und intensiver Strahlung begleitet wird. Diese Elemente befinden sich auf der Erde, weil Überreste von Supernova-Explosionen während Milliarden von Jahren bei uns gelandet sind.
Die Bildung von Elementen tritt auch auf der Erde bei Prozessen von radioaktivem Zerfall auf. Diese Prozesse gehen in die entgegengesetzte Richtung, also die Auflösung von schweren Elementen in leichtere. Bestimmte Atomkerne sind radioaktiv und instabil, eine Eigenschaft, die normalerweise mit der Anzahl ihrer Neutronen zusammenhängt. Ein radioaktives Atom stabilisiert sich erst nach der Emission energetischer Strahlung, was manchmal zu einer Identitätsänderung subatomarer Teilchen führt, zum Beispiel von Protonen zu Neutronen. Ein solcher radioaktiver Zerfall bildet beispielsweise das Argon in der Atmosphäre unserer Erde, wenn ein Proton aus einem radioaktiven Kaliumatom umgewandelt wird. Radioaktiver Zerfall wird zur Energieerzeugung in Atomreaktoren genutzt, in denen radioaktives Uranium in leichtere Elemente wie Xenon oder Strontium zersetzt wird.
Das Gold kostet zu viel Geld. Der britische Wissenschaftler Frederick Soddy, Pionier der Radiochemie. Quelle: Wikipedia
Physik ist die neue Alchimie
Es ist schwierig, die Ergebnisse solcher radioaktiven Prozesse zu kontrollieren, aber die Entwicklung der Technologie und die Erfindung von Teilchenbeschleunigern haben der Menschheit zum ersten Mal die Möglichkeit gegeben, eine Transmutation künstlich zu bewirken. Wenn man einen Neutronenstrahl erzeugt, der auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und auf ein Metallblech gerichtet wird, ist es möglich, Protonen von den Metallatomen zu trennen und sie in Atome eines anderen Elements umzuwandeln. Der alte Traum der Alchimisten wurde in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts wiederbelebt, als Forscher diese Methode zum ersten Mal anwendeten, um Goldatome aus Quecksilber, dessen Atome ein Proton mehr enthalten als die Goldatome, herzustellen. In ähnlicher Weise schufen andere Forscher 1980 Gold aus dem Metall Bismut, das vier Protonen mehr als Gold enthält.
Dieser Erfolg war allerdings eher prinzipiell als praktisch, da die Goldmenge, die in diesen Experimenten erzeugt wurde, gering war. Außerdem war das Gold größtenteils radioaktiv, also gefährlich. In der Natur enthält ein Goldatom neben seinen 79 Protonen auch 118 Neutronen, die den Atomkern stabilisieren. Die Goldatome, die im Teilchenbeschleuniger erzeugt wurden, enthielten aber überschüssige Neutronen, die während einiger Tage radioaktiv abgebaut und zu Atomen von anderen Elementen wurden. In den 1980er Jahren beliefen sich die Kosten für die Verwendung eines Teilchenbeschleunigers auf etwa 5000 US-Dollars pro Stunde. Laut einem der Direktoren des Experiments, David Morrissey, benutzten die Forscher das Gerät während eines ganzen Tages, um eine winzige Menge von Gold zu produzieren. Und ein Gramm Gold kostete im März 2021 nur etwa 59 Dollar.
Frederick Soddy, ein bekannter englischer Radiochemiker zu Beginn des 20. Jahrhunderts, meinte, dass sich die künstliche Produktion von Gold nicht um des Goldes willen lohnen wird: „Wenn der Mensch eine solche Kontrolle über die Natur erreichen wird, wird es wohl nicht Blei oder Quecksilber in Gold verwandeln wollen.“ Mit anderen Worten, Transmutation eines Metalls zu Gold lohnt sich nicht, und mit der heute existierenden Technologie ist die Investition nicht rentabel. Vielleicht gibt es in Zukunft so eine Technologie, die das rentabel macht, aber bis dann sollten wir uns mit den Ressourcen begnügen, die die Natur uns gibt.