Wird ein Mann gebraucht, um Kinder in die Welt zu setzen? Nicht unbedingt, aber auf diese Art und Weise ist es definitiv einfacher.
Vor 42 Jahren wurde das erste Mädchen geboren, dass durch In-vitro-Fertilisation, bei der die Begegnung zwischen Eizelle und Sperma im Labor stattfindet, entstanden war. Das damals revolutionäre Verfahren wurde inzwischen perfektioniert und ist zur Routine geworden. Schätzungen zufolge werden weltweit über fünf Millionen Babys durch In-vitro-Fertilisation gezeugt.
Wie immer in der Wissenschaft tauchen sofort neue Fragen auf, sobald es gelingt, eine Herausforderung zu bewältigen. Eine der faszinierendsten Fragen ist, ob die Samenzelle wirklich für den Befruchtungsprozess notwendig ist oder ob dieser auch ohne sie stattfinden kann. Wenn es möglich ist, Spermien und Eizellen in einem Labor zu kombinieren und einen Embryo mit einem gemeinsamen genetischen Ursprungs zu erzeugen, warum nicht die Eizelle mit einer anderen Eizelle befruchten und einen Embryo mit zwei Müttern erhalten?
Forscher der Universität Tokio untersuchten diese Frage an Mäusen. Die ersten Experimente brachten nicht das erwünschte Ergebnis: In einem Experiment entwickelte sich zwar die befruchtete Eizelle mehrere Stunden lang, die Plazenta, die den Embryo ernähren soll, allerdings nicht. In einem anderen Experiment wurde eine leere Eizelle, bei der das genetische Material entfernt wurde, mit zwei Samenzellen befruchtet, so dass das gesamte genetische Material von den Spermien stammte. In diesem Fall entwickelten sich die Plazenta und extraembryonales Gewebe, nicht jedoch der Embryo selbst.
Die Forscher ließen sich von diesen enttäuschenden Ergebnissen nicht aufhalten. Im Gegenteil, sie waren motiviert herauszufinden, wodurch das befruchtete Ei daran gehindert wurde, sich in einen Embryo zu entwickeln. Ihre Ausdauer zahlte sich aus und nach mehreren Jahren, 460 Versuchen und zehn Lebendgeburten wuchs eine Maus zum Erwachsenenalter heran. In einem Artikel, der 2004 in Nature veröffentlicht wurde, präsentierten die Forscher, angeführt von Tomohiro Kono, Kaguya – die erste Maus, die aus dem genetischen Material von zwei Eizellen ohne Vater entstanden war. Kaguya war eine gesunde Maus, die sich gut entwickelte und zur erwachsenen Maus heranreifte, die sogar ihre eigenen Kinder gebar.
Wo lag das Problem?
Es stellte sich heraus, dass während der Gametenbildung (die Eizelle oder die Samenzelle) einige Gene ein genetisches Programm, das sogenannte „Imprinting“, durchlaufen, so dass sie erkennen, ob sie männlichen oder weiblichen Ursprungs sind. Das Ergebnis davon ist, dass das Gen abgeschaltet wird, obwohl sich die DNA-Sequenz nicht verändert hat.
Natürlicherweise schaltet ein bestimmtes Gen des Vaters das entsprechende parallele Gen der Mutter ab und umgekehrt. Dieser Prozess ist für die Entwicklung des Embryoses und der Plazenta wichtig. Deshalb entwickeln sich Embryonen aus zwei weiblichen oder männlichen genetischen Systemen nicht richtig.
Die Forscher simulierten diese natürliche Situation, indem sie die Gene H19 und Igf2 manipulierten, die essenziell für die Entwicklung des Embryos und der Plazenta sind. H19 wird auf dem weiblichen Chromosom exprimiert und Igf2 wurde auf diesem Chromosom stumm geschaltet. Beim männlichen Chromosom findet sich die gegensätzliche Situation vor. Da die Forscher nur Eizellen verwendeten, schalteten sie in einer Eizelle H19 ab. Das führte dazu, dass Igf2 exprimiert wurde, so wie es bei einer natürlichen Fertilisation geschieht.
Kind ohne Vater?
Also wann werden zwei Frauen ein Kind ohne einen Vater in die Welt setzen können? Wahrscheinlich nicht so bald. Auf jeden Fall nicht mit der Methode, mit der die japanische Maus gezeugt wurde. Der Prozess beim Menschen ist sehr viel komplizierter und wenn wir die falschen Gene abschalten oder die richtigen Gene nicht, werden genetische Veränderungen auftreten, die eine normale Entwicklung des Embryoses verhindern. Außerdem stehen wir bei jedem Prozess, der die genetische Manipulation von menschlichen Eizellen beinhaltet vor einem ethischen Dilemma.
Die Lösung könnte von einer Studie kommen, die 2014 vom Forschungsteam um Jakob Hanna vom Weizmann-Institut für Wissenschaften in Israel und Azim Surani von der Universität Cambridge in Großbritannien im wissenschaftlichen Journal „Cell“ veröffentlicht wurde. In dieser Studie präsentierten die Forscher einen Durchbruch in der Reproduktionsforschung. Zum ersten Mal wurden humane Stammzellen kreiert, die sich zu Eizellen und Spermien entwickeln können. Diese Zellen haben das Potential in genetisch reife Spermien und Eizellen passend für die Patienten zu differenzieren. Basierend auf dieser Forschung könnten in der Zukunft neue Behandlungsmethoden in der Reproduktionsbiologie entstehen, bis hin zu der Möglichkeit, dass sich eine Frau mit einer anderen Frau fortpflanzt.
Im Video: Eine Reportage aus Sky News über den Versuch Eizellen und Spermien künstlich herzustellen.