Vom Schimpansen bis zur Krähe, vom Delfin bis zum Oktopus: im gesamten Tierreich findet man Arten, die Werkzeuge benutzen. Warum hat sich diese Fähigkeit nur bei relativ wenigen Tierarten entwickelt und warum ausgerechnet bei diesen?

Das war es einst, was uns Menschen von den Tieren unterschieden hat. Menschen, und nur wir Menschen, benutzten Werkzeuge und erschafften sie. Wir haben uns selbst als das Lebewesen definiert, das Werkzeuge erschaffen kann. Jetzt müssen wir uns als Mensch neu definieren. Wir müssen neu definieren, was ein Werkzeug ist oder wir müssen den Schimpansen in unsere Gesellschaft Mensch aufnehmen.

Das waren die Gedanken der berühmten Schimpansenforscherin Jane Goodall in einem Video, das von dem Institut, das ihren Namen trägt, produziert worden war, nachdem sie einen Schimpansen sah, der Werkzeuge benutzte. So geschehen im Gombe Nationalpark in Tansania in den frühen 1960ern. Der beobachtete Schimpanse nahm einen langen Grashalm, steckte ihn in ein Termitennest und zog ihn heraus. An diesem Grashalm hingen viele ärgerliche Insekten, die den „Eindringling“ bissen. Der Schimpanse führte den Halm zu seinem Maul und fraß die Termiten mit Genuss.

Ein Video von Jane Goodall, in dem sie die Entdeckung der Verwendung von Werkzeugen bei Schimpansen beschreibt.

 

Das war die erste wissenschaftliche Aufnahme über die Verwendung von Werkzeugen von wilden Tieren – etwas, das bis dahin, wie Goodall sagte, nur Menschen zugeschrieben war. Werkzeuge begleiten uns jeden Tag, den ganzen Tag. Wir benutzen sie, um zu essen, um zu arbeiten, um zu spielen, um das Haus oder uns selbst zu reinigen – um fast alles zu machen. Es gibt keinen Zweifel daran, dass wir die technologischste Art auf Erden sind, aber wie Goodall gezeigt hat, sind wir nicht die Einzigen, die Werkzeuge benutzen. Fast 60 Jahre nach der Entdeckung im Gombe Nationalpark wissen wir viel mehr, nicht nur über die Art der Werkzeuge, die benutzt werden, wir kennen auch noch andere Tierarten, die diese Fähigkeit besitzen: andere Affenarten, Delfine und sogar Vögel benutzen Werkzeuge. Allerdings ist diese Fähigkeit im Tierreich eher selten und wir wissen nicht, warum ein Tier Werkzeuge benutzt und ein anderes, das evolutionär verwandt ist, nicht. Einige Forscher sind der Meinung, dass das Geheimnis in den unterschiedlichen kognitiven Fähigkeiten der Tiere läge, andere sagen, dass viele Arten Werkzeuge nicht hilfreich fänden. Vielleicht liegt der Schlüssel zur Verwendung von Werkzeugen in der Sozialisation und Toleranz im Allgemeinen.

Was ist ein eigentlich ein Werkzeug?

Um über den Gebrauch von Werkzeugen zu reden, müssen wir zuerst definieren, was ein Werkzeug überhaupt ist und das ist nicht so leicht, wie es sich anhört. Benutzt ein nestbauender Vogel Werkzeuge? Wie sieht es mit einem Elefanten aus, der seinen Rüssel dazu benutzt Wasser in seinen Mund zu bringen? Wie sieht es mit Krähen aus, die die Nüsse aus großer Höhe fallen lassen, damit sie aufspringen, wenn sie auf dem Boden auftreffen? Benutzen sie den Boden als Werkzeug?

Die meisten Forscher werden diese Beispiele verneinen. Allerdings gibt es keine Definition eines Werkzeugs, mit der jeder einverstanden ist. Die allgemeine Definition sagt aus, dass ein Werkzeug ein für bestimmte Zwecke geformter Gegenstand ist, mit dessen Hilfe etwas bearbeitet oder hergestellt werden kann. Das bedeutet, dass ein Werkzeug nicht Teil des Tieres oder der Umwelt ist und dass dieser Gegenstand vom Tier benutzt wird, um ein anderes Objekt oder Kreatur so zu ändern, dass ein bestimmtes Ziel erreicht werden kann.

Beim Beispiel des Schimpansen, den Jane Goodall beobachtet hatte, bedeutet das, dass der Grashalm als Werkzeug diente, um die Termiten aus dem Nest zu ziehen mit dem Ziel diese zu fressen. Jedoch, wenn Vögel ein Nest bauen, werden die Zweige nicht dafür benutzt, ein anderes Objekt zu verändern. Der Rüssel eines Elefanten ist Teil seines Körpers und kann von daher nicht als Werkzeug betrachtet werden. Nüsse aus großer Höhe auf den Boden fallen zu lassen, könnte als ein „Grauzonen-Werkzeug“ betrachtet werden, da die Krähen, die das machen, das Werkzeug nicht halten und es auch kein Gegenstand ist, aber der Zustand der Nuss wird verändert, jedoch nur aufgrund der Handlungsweise der Krähe.

Außerdem betrachten Forscher den regelmäßigen Gebrauch von Werkzeugen als ein angeborenes Verhalten, das nicht erlernt werden muss. Das Termitenfischen der Schimpansen und wahrscheinlich auch das Nüssewerfen der Krähen ist ein angeborenes Verhalten.

Eine andere Verhalten ist zum Beispiel das der Ameisenlöwenlarve. Diese gräbt Löcher in den Sand und wartet darauf, dass die Beute in das Loch fällt. Wenn diese dann versucht zu fliehen, wirft die Ameisenlöwenlarve Sandkörner in das Loch und die Beute rutscht der Larve direkt ins Maul. Auf diese Art des Verhaltens werden wir uns in diesem Artikel konzentrieren – das Erlernen der Verwendung von Werkzeugen. Die Verwendung von Werkzeugen bringt sich das Tier entweder selbst bei oder erlernt es durch das Beobachten anderer Artgenossen oder meistens beides.

Säugetiere, die Werkzeuge benutzen

Welche Tiere benutzen Werkzeuge im Reich der Natur. Wahrscheinlich nicht überraschend, die Arten, die uns am nächsten sind - Affen. Insbesondere Menschenaffen haben die größte Tendenz, Werkzeuge zu benutzen. Die Champions der Werkzeugverwender unter den Affen sind die Schimpansen. Außer zum Termitenfischen – und in einigen Gegenden auch Ameisenfischen – benutzen die Schimpansen in ganz Afrika eine Vielzahl von Materialien aus der Natur zu ihrem Nutzen. Sie knacken Nüsse mit Steinen oder Stöcken. Sie gelangen an Regenwasser, was sich in Cisternen oder Baumlöchern angesammelt hat mit einer Art „Schwamm“ aus gefalteten Blättern oder Moos, den sie in das Wasser halten und dann zu ihrem Maul führen, um das Wasser zu trinken. Sie benutzen Stöcke, um Bienenstöcke zu öffnen und an den Honig zu gelangen. Sie wurden auch dabei beobachtet, dass sie die Enden von Stöcken mit ihren Zähnen anspitzen, um mit ihnen den Galago zu jagen, ein kleines Säugetier, was mit den Affen verwandt ist. Die Galagos verstecken sich in Löchern im Holz und mit der Hilfe der angespitzten Stöcke können die Schimpansen den Galago jagen, ohne Gefahr zu laufen, gebissen zu werden.

Video über Schimpansen, die Galagos jagen.

 

Auch Orang-Utans benutzen Werkzeuge, aber nicht so häufig wie ihre verwandten Schimpansen. Sie benutzen Stöcke, um an die wohlschmeckenden Früchte der Neesia (immergrüne Bäume aus der Familie der Malvengewächse) zu gelangen. Dabei achten sie darauf, die Pflanzenfasern nicht zu beschädigen, da diese Hautirritationen bei ihnen hervorrufen können. Sie benutzen die Stöcke außerdem, um Honig aus Bienenstöcken zu ernten. Gorillas verwenden Werkzeuge nicht regelmäßig, aber es wurde bei ihnen beobachtet, dass sie Stöcke benutzen, um die Tiefe des Wassers vor dem Eintreten abzuschätzen.

In den letzten zwanzig Jahren wurden zwei Affenarten entdeckt, die regelmäßig Werkzeuge benutzen. Die Rückenstreifen-Kapuziner Äffchen in Brasilien (Sapajus libidinosus) knacken hartschalige Nüsse mit Steinen auf einer Art von Amboss aus Steinen oder Baumstämmen. Der Javaneraffe, auch Langschwanzmakak genannt, (Macaca fasicularis) benutzt Steine auf eine ähnliche Art und Weise, aber nicht um Nüsse, sondern Muscheln und Schnecken und manchmal auch Krebse aus dem Meer zu knacken.

Video von Nüssen knackenden Kapuzineräffchen

 

Außerhalb der Primatengruppe, zu der die Affen, Menschenaffen und wir Menschen gehören, werden selten Werkzeuge benutzt. Einige wenige Beispiele von Nichtprimaten sind der Seeotter, der ähnlich wie die Makaken Steine verwendet, um Muscheln zu knacken, und Delfine, die ihre Nasen mit Seeschwämmen bedecken, wenn sie auf Beutefang auf dem Meeresboden gehen. Forscher vermuten, dass die Seeschwämme die Delfine bei der Jagd vor scharfen Steinen und Korallenfragmenten schützt.

Im Jahr 2019 wurde eine Studie veröffentlicht, die die Benutzung von Werkzeugen beim Visayas-Pustelschwein (Sus cebrifons), eine auf den Philippinen endemische Säugetierart der Familie der Echten Schweine. Schweine sind für ihre Intelligenz bekannt und diese Pustelschweine wurden dabei beobachtet, wie sie mit einem Stock im Maul ein Loch im Boden graben. Sie tun das, um ein Nest zu bauen. Die niedrige Kuhle wird mit Blättern ausgelegt und das Weibchen entbindet ihre Jungen darin. Diese Anwendung von Werkzeugen ist ungewöhnlich, denn sie ist nicht dafür vorgesehen, Nahrung zu beschaffen. Allerdings wurde dieses Verhalten bei nur drei anderen Schweinen im Zoo beobachtet und noch viel mehr Studien sind nötig, um dieses Verhalten in der Natur zu bestätigen.

 

Ein kalifornischer Seeotter frisst einen Krebs. SPL, Doc White
Muscheln und andere Meeresbewohner werden mit Steinen geknackt. Ein kalifornischer Seeotter frisst einen Krebs. SPL, Doc White

 

Das Gehirn des Vogels

Wir haben die Tendenz Vögel als dumm anzusehen; auf jeden Fall als weniger intelligent als Säugetiere. Wir sind zwar beeindruckt von ihren Flugfähigkeiten, aber Dinge wie Schlüsse ziehen, Planung und Verständnis von Ursache und Wirkung, schreiben wir eher unserer Gruppe, den Säugetieren, und von dieser auch nur einem kleinen Teil, zu. Auch wenn es unserem Ego nicht schmeichelt, wurde die Verwendung von Werkzeugen auch bei Vögeln beobachtet.

Eine Auszeichnung für hervorragende Leistungen in diesem Bereich gehört zweifellos der Geradschnabelkrähe (Corvus moneduloides), eine Krähenart, die auf dem Neuen Kaledonischen Archipel im Pazifik beheimatet ist. Die Mitglieder der Familie der Corvidae sind für ihre Intelligenz und Initiative bekannt. Wie wir oben schon mal erwähnt hatte, werfen sie Nüsse aus großer Höhe auf den Boden, um diese zu knacken. Sie platzieren sie sogar auf der Straße, so dass die vorbeifahrenden Autos die Nüsse knacken. Die Geradschnabelkrähe jedoch zeigt einen noch viel höheren Grad an Intelligenz bei der Verwendung von Werkzeugen. Sie pflücken dünne Zweige von den Ästen der Bäume, entfernen die Blätter und formen mit dem Schnabel aus dem Ende des Zweigs einen Haken. Mit diesem Werkzeug holen sie aus den Hohlräumen in den Bäumen die Larven, die sich dort verstecken. Neben der Verwendung von Stöcken können sie auch Werkzeuge aus den Blättern von dornigen Pflanzen, die auf den Inseln wachsen, bauen.

Während sich Krähen ähnlich wie Schimpansen verhalten, die Termiten mit Stöcken und Grashalmen aus ihren Nestern holen, gehört der Schmutzgeier (Neophron percnopterus) zu den Vögeln, die Steine zum Knacken verwenden. Sie knacken keine Nüsse oder Muscheln, sondern Straußeneier. Dafür sammeln sie Steine auf und werfen diese gegen die Eier bis sie platzen. Dieses Verhalten wurde im Yotvata Naturreservat im Süden Israels beobachtet. Der Wüstenrabe (Corvus ruficollis), der in derselben Gegend lebt, mag diese wohlschmeckenden Eier ebenfalls, bedient sich aber einer anderen Methode. Er knackt die Eier nicht mit einem Stein, sondern wartet darauf, dass der Schmutzgeier die Eier knackt und stiehlt dann den Inhalt.

Video eines Eier-knackenden Schmutzgeiers

 

Es gibt auch Vögel, die etwas tun, das kein anderes Tier (außer dem Menschen) tut – sie fischen mit Köder. Mehr als ein Dutzend von Vogelarten, mehr als die Hälfte davon gehören zur Familie der Reiher, wurden beobachtet, dass sie Futter ins Wasser werfen und den Fisch fangen, wenn dieser an die Oberfläche kommt, um das Futter zu fressen. Die Vögel scheinen genau zu wissen, was sie tun, denn sie werfen nur Dinge ins Wasser, die auf der Oberfläche schweben und nicht untergehen, so dass sie den Fisch leicht erreichen können, wenn dieser vom Futter angelockt wird.

Video eines fischenden Reihers:

 

Sogar unter den Weichtieren gibt es Mitglieder, die Werkzeuge benutzen. Oktopusse aus der Region um Indonesien wurden beobachtet, wie sie Kokosnussschalen mit sich umhertragen, manchmal eine Hälfte und manchmal zwei Hälften. Wenn sie einen Räuber sehen, dann verstecken sie sich unter der Kokosnussschale oder wenn sie zwei haben, dann ordnen sie diese um ihren Körper wie eine Rüstung an und verschließen die Öffnung mit ihren Fangarmen. Sie verwenden die Kokosnussschalen als Höhle, wenn sie nachts schlafen wollen. Sie stecken die Kokosnussschalen in den Sand, vergraben es und verstecken sich im Inneren. Am nächsten Tag graben sie die Kokosnussschale wieder aus, säubern sie im Wasserstrom und beginnen ihren Tag. Wie kommen sie damit klar, zwei Kokosnussschalen zu tragen – kein Problem. Sie stapeln sie wie Schüsseln im Schrank übereinander.

Video eines Oktopusses, der Kokosnussschalen mit sich trägt:

Warum benutzen nur so wenige Tiere Werkzeuge?

Alle diese Beispiele zeigen, dass Werkzeuge zur Erreichung verschiedener Ziele angewendet werden. Insbesondere werden Werkzeuge zur Erlangung von schwer zugänglichem Futter verwendet. Zweifellos hat die sich die Fähigkeit Werkzeuge zu verwenden über viele Tausende Jahre im Laufe der Evolution in verschiedenen Tiergruppen entwickelt. Jedoch die größte Mehrheit der Tiere, sogar die größte Mehrheit der Säugetiere und Vögel, haben niemals ein Werkzeug benutzt. Warum also werden Werkzeuge so selten benutzt?

Eine Antwort darauf scheint offensichtlich zu sein: Tiere müssen schlau genug sein, um Werkzeuge zu benutzen. Ein Werkzeug zu benutzen, setzt hohe kognitive Fähigkeiten voraus, über die nur wenige Tiere verfügen. Der Benutzer muss wissen, was er mit dem Werkzeug anfangen kann und er muss planen, wie er es einsetzen kann, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen.

Mit einem Werkzeug zu arbeiten, beansprucht Zeit. Der Schimpanse z. B., der Termiten aus dem Nest fischt, muss zuerst einen Grashalm oder Zweig finden, dann muss er die Blätter entfernen und den Zweig auf die erforderliche Länge bringen und erst dann kann er sich an das eigentliche Ziel machen. All das erfordert ein gutes Arbeitsgedächtnis, die Fähigkeit den Drang ans Termitennest zu gelangen, anzuhalten und die Fähigkeit zu verstehen und sich daran zu erinnern, wie das Werkzeug aussehen muss, wie groß der Durchmesser des Zweigs sein muss, welche Länge er haben muss und wie flexibel er sein kann.

Eine Verzögerung der unmittelbaren Belohnung ist besonders für die Vögel beim Fischen von Bedeutung. Den Köder, den sie benutzen, ist meistens Futter, oft ein Stück Brot. Sie könnten es fressen oder sie halten sich zurück, werfen es ins Wasser für die Chance einen besseren und schmackhafteren Preis zu bekommen. Ohne Zweifel ist das eine kognitive Fähigkeit, die nicht jedes Tier hat.

Weiterhin werden feinmotorische Fähigkeiten benötigt, um Werkzeuge zu benutzen, angefangen von der Fähigkeit das Werkzeug in der Hand oder dem Fuß zu halten oder es in das richtige Loch im Baumstamm zu schieben. Tiere, die ihre Werkzeuge selbst herstellen, wie dieGeradschnabelkrähe benötigen ganz besonders hohe kognitive Fähigkeiten.

Eine erwachsene und eine junge Geradschnabelkrähe ziehen Futter aus Löchern im Baumstamm. Foto: Natalie Uomini
Hohe kognitive Fähigkeiten sind nötig, um Werkzeuge zu benutzen. Eine erwachsene und eine junge Geradschnabelkrähe ziehen Futter aus Löchern im Baumstamm. Foto: Natalie Uomini
 
Allerdings gibt es andere Forscher, die meinen, dass es nicht die kognitiven Fähigkeiten sind, die zwischen den Tieren, die Werkzeuge benutzen und solchen, die keine benutzen, unterscheiden. In einer Studie aus dem Jahr 2018 wurde gezeigt, dass Saatkrähen, die in der Natur kein Werkzeug benutzen, die kognitiven Fähigkeiten besitzen, es zu tun. Die Forscher gaben den Saatkrähen verschiedene Aufgaben, um an das Futter zu gelangen. Die Vögel hatten das Verständnis Werkzeuge anzuwenden, ihren Einfluss auf die Umgebung einzuschätzen, die physikalische Verbindung zwischen dem Werkzeug und der Belohnung (Futter) und der Einrichtung, in dem sich das Futter befand, zu verstehen.

Eine weitere Forschung verglich das Verhalten des Spechtfinks (Camarhynchus pallidus), der, ähnlich wie die Geradschnabelkrähe, Stöcke benutzt, um Insekten aus Löchern im Holz zu ziehen, mit dem Verhalten eines seiner nahen Verwandten, dem Zwergdarwinfink (Camarhynchus parvulus), der kein Werkzeug verwendet. Die kognitiven Fähigkeiten beider Arten wurden bei der Ausübung verschiedener Aufgaben, die in Verbindung zur Anwendung von Werkzeugen waren, getestet. Beide waren gleich erfolgreich.

Einige Forscher glauben, dass die Verwendung von Werkzeugen für einige Tierarten einfach nicht von Vorteil ist. Die Notwendigkeit ist die Mutter der Erfindung – und wenn es keine Notwendigkeit gibt, das heißt, wenn genug Futter vorhanden ist, das gut ohne Werkzeug erreicht werden kann – gibt es keine Erfindung. Andere argumentieren, dass einige Tierarten von der Anwendung von Werkzeugen profitieren würden, es aber trotzdem nicht tun. Ein Beispiel dafür ist die Guamkrähe (Corvus kubaryi), die auf einer Insel im Pazifischen Ozean ähnlich der Insel, auf der die Geradschnabelkrähe lebt, beheimatet ist. Die Guamkrähe ernährt sich hauptsächlich ebenso von Larven, die sie in den Löchern von Baumstämmen findet. Obwohl die Benutzung eines Werkzeugs dieser Krähe helfen würde, leichter an die versteckten Leckerbissen zu gelangen, wurde sie niemals mit einem Werkzeug beobachtet.

 

Gesellschaftlicher Nutzen

Es muss noch etwas anderes, außer kognitiven und körperlichen Fähigkeiten oder dem Zwang an Futter zu gelangen, geben, was die Tiere benötigen, um Werkzeuge anzuwenden. Eine besonders interessante Hypothese besagt, dass die Verwendung von Werkzeugen insbesondere bei Arten verbreitet ist, die in Gruppen zusammenleben oder wo die Jungen viel Zeit mit ihren Eltern verbringen, insbesondere dann, wenn die Eltern geduldig mit den Jungen umgehen und die Jungen die Alten dabei beobachten, wie sie Nüsse fangen oder Insekten mit Stöcken fischen.

Dieses Verhalten ist erlerntes Verhalten. In den meisten Fällen erlernen die Jungen von den Alten, seien es die Eltern oder andere Erwachsene in der Gruppe, die Anwendung von Werkzeugen. Während des Trainings ist es den Jungen erlaubt, sich auszuprobieren, das heißt, sie dürfen bei den Versuchen, mit Werkzeug umzugehen, scheitern und es erneut versuchen. In jedem Fall ist die Anwesenheit von erwachsenen Tieren, die sehr geschickt im Umgang mit Werkzeugen sind, von großer Bedeutung. Oft werden bei den ersten Versuchen der Jungen die Werkzeuge verwendet, die die Alten hergestellt haben.

Ein junges Kapuzineräffchen schaut dem älteren beim Nussknacken zu. Shutterstock
Voneinander lernen. Ein junges Kapuzineräffchen schaut dem älteren beim Nussknacken zu. Shutterstock

Tatsächlich haben die meisten Tierarten, die Werkzeuge benutzen, einen Lebensstil, der den Jungen viele Möglichkeiten des Lernens bietet. Junge Schimpansen bleiben bei ihrer Mutter 5-6 Jahre, manchmal sogar länger und danach bleiben sie mit ihr in Kontakt. Sie haben auch Kontakt zu anderen Erwachsenen aus der Gruppe. Die Weibchen erlauben den anderen erwachsenen Affen aus der Gruppe sich den Jungen anzunähern und beobachten deren Aktivitäten. Orang-Utans leben nicht in einer Gruppe, aber die Jungen bleiben 7-8 Jahre lang bei ihrer Mutter.
Junge Kapuzineräffchen sind sehr daran interessiert zu lernen, wie Nüsse geknackt werden und wenn ein erwachsener Affe anfängt Nüsse zu knacken, gehen sie in seine Nähe und schauen ihm dabei aufmerksam zu, manchmal stecken sie ihre Nase fast unter den Stein, um nichts zu verpassen. Sie tun das mit der Erlaubnis der männlichen Erwachsenen. Manchmal kommen sie so nah, dass sie herunterfallende Nusskrümel stehlen.
Die jungen Geradschnabelkrähen bleiben oft auch im zweiten Jahr ihres Lebens bei ihren Eltern, was im Vogelreich sehr ungewöhnlich ist. Die Eltern sind sehr geduldig mit ihren Jungen. Sie fahren sogar mit dem Füttern der Jungen fort.

Orang-Utan Mutter mit ihrem 3 bis 4 jährigen Kind. SPL, Fiona Rogers
Bleiben dicht an der Seite der Mutter bis sie sieben Jahre alt sind. Orang-Utan Mutter mit ihrem 3 bis 4 jährigen Kind. SPL, Fiona Rogers

 

Und dann gibt es da auch noch uns Menschen – die unschlagbaren Champions bei der Benutzung von Werkzeugen im Tierreich. Es mag nicht immer so erscheinen, aber im Gegensatz zu anderen Tierarten sind wir Menschen sehr soziale Wesen, geduldig und sehr tolerant, insbesondere, wenn es um den Nachwuchs geht. Wenn man die Hypothese näher betrachtet, kann man schlussfolgern, dass wir über zwei Eigenschaften verfügen, die uns dazu befähigt haben, so gut mit Werkzeugen umzugehen. Zum einen unsere kognitiven Fähigkeiten und zum anderen die Fähigkeit, andere Menschen an unserer Seite zu ertragen und unser Wissen mit anderen Menschen zu teilen - zu lernen und zu lehren.